Kritik an der Homöopathie

alles außerhalb der klassischen Schulmedizin
ronnie
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Re: Kritik an der Homöopathie

Beitrag von ronnie »

Ich bin in dieser Frage nicht festgelegt. Interessanterweise habe ich immer das Gefühl, bei mir wirken die Globuli nicht, während ich z.B. bei meinem Sohn als Kleinkind frappierende Erfolge erlebt habe, als ihm eine als Homöopathin praktizierende Medizinerin nach ausführlicher Anamnese nur EIN EINZIGES KÜGELCHEN verabreichte. Es ging in dem Fall um immer wiederkehrende Mittelohrentzündungen - nach diesem einen Kügelchen war er dann monatelang beschwerdefrei.

Was mir immer in der ganzen Diskussion (also nicht nur hier) um Homöopathie u.ä. missfällt, ist das Argument des fehlenden wissenschaftlichen Nachweises. Ich meine, es gibt so viele Dinge und Umstände auf dieser Welt, die MIT DEN HEUTIGEN MÖGLICHKEITEN (noch) nicht nachweisbar. Was beweist das? Nichts! Außer eben, dass ein Nachweis heute nicht möglich ist. Und wenn etwas dann trotzdem wirksam ist, wird es auf den Placebo-Effekt zurückgeführt. Wobei es doch auch in der Schulmedizin häufig keine mit 100%er Sicherheit wirksamen Medikamente gibt; auch dort geht es doch immer nur darum, dass etwas i.d.R. bei der Mehrheit der Menschen wirkt und man vielleicht zusätzlich das Gefühl hat, etwas getan zu haben, versorgt worden zu sein usw.

Ich versuche auch immer abzuwägen, wofür ich mich bei den jeweiligen Beschwerden entscheide, Vor- und Nachteile sowie Risiken abzuwägen und bin damit bisher ganz gut gefahren.
Irene
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Anne Sasson
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Re: Kritik an der Homöopathie

Beitrag von Anne Sasson »

ronnie hat geschrieben:... als ihm eine als Homöopathin praktizierende Medizinerin nach ausführlicher Anamnese nur EIN EINZIGES KÜGELCHEN verabreichte. Es ging in dem Fall um immer wiederkehrende Mittelohrentzündungen - nach diesem einen Kügelchen war er dann monatelang beschwerdefrei.
Es ist wirklich so wunderbar, wenn Ärzte/Tierärzte tatsächlich nach den Regeln der klassischen Homöopathie arbeiten!!!
Aber sicherlich wirst du schon einige Male gehört haben (und möglicherweise kommt das Argument auch hier): Das wäre von allein geheilt ;)

Die Beweisführung der Wirksamkeit der Homöopathie liegt nicht nur daran, dass die Mittel "stofflich" leer sind.
Die Form der Behandlung an sich lässt nur schwer Vergleiche zu. Da beispielsweise nicht jeder Fließschnupfen mit einem bestimmten Mittel behandelt wird, ist es nicht leicht, ausreichend ganz identische Fließschnupfenfälle (die also mit einem und demselben homöopathischen Mittel behandelt würden) zu finden, um parallel schulmedizinische und klassisch homöopathische Behandlungen durchzuführen und zu vergleichen.
ronnie
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Re: Kritik an der Homöopathie

Beitrag von ronnie »

Anne Sasson hat geschrieben:
ronnie hat geschrieben:... als ihm eine als Homöopathin praktizierende Medizinerin nach ausführlicher Anamnese nur EIN EINZIGES KÜGELCHEN verabreichte. Es ging in dem Fall um immer wiederkehrende Mittelohrentzündungen - nach diesem einen Kügelchen war er dann monatelang beschwerdefrei.
Es ist wirklich so wunderbar, wenn Ärzte/Tierärzte tatsächlich nach den Regeln der klassischen Homöopathie arbeiten!!!
Aber sicherlich wirst du schon einige Male gehört haben (und möglicherweise kommt das Argument auch hier): Das wäre von allein geheilt ;)
Na klar habe ich das gehört, aber es griff in dem Fall nicht, weil es hier weniger darum ging, eine akute Otitis zu behandeln, sondern die permanente Neigung dazu; die Mittelohrentzündungen gaben sich ja quasi die Klinke in die Hand, außerdem hatte er ständig diesen Flüssigkeitsstau im Ohr - und mit dem Kügelchen war's dann erstmal auf Monate hinaus vorbei, und zwar nicht ausgerechnet zum Sommer hin! Irgendwann hat sich das Problem dann GsD wie vom KA prophezeit ausgewachsen.
Irene
Oval 5

Re: Kritik an der Homöopathie

Beitrag von Oval 5 »

Erst mal der Samirah alles Gute für die Wundheilung!

So in der Art wie das bei Euch abgelaufen ist, wäre das bei mir wohl auch gegangen und bis dato
bin ich mit der Methode nicht schlecht gefahren - nur selbstverständlich sagt das auch nicht mehr,
als wenn jemand erklärt, daß er mit der homöopathischen Behandlung bis dato gut gefahren ist.
Einzelne Aussagen und Erfolge sind einfach zu vage, um sie als Nachweis für eine Wirksamkeit einer
Behandlung aufführen zu können.

Ich denke, daß es tatsächlich Aufgabe der Homöopathen wäre, eine Methode zu entwickeln, die
der Homöopathie angemessen und doch eindeutig geeignet wäre, die Wirksamkeit homöopathischer
Behandlungen nachzuweisen.

Diese Diskussion erinnert mich an meine Schulzeit, als wir angeprangert haben, daß die Prüfungen
alleine durch die Art wie sie erfolgen schon den einen gegenüber dem anderen bevorzugt haben.
Es gab den netten Witz: Und nun für alle die gerechte gleiche Aufgabe: Klettern sie auf diesen
Baum - unten saß aber neben einem Affen ein Zebra, ein Elefant und ein Vogel.


Selbstverständlich ist es nicht besonders fair, eine Behandlung nach klassischer Homöopathie mit
den gleichen Testverfahren verifizieren zu wollen, wie die Wirksamkeit einer allopathischen
Behandlung. Denn die Testverfahren beruhen auf dem Grundverständnis für Wirkungszusammenhänge,
das unserer abendländischen Wissenschaft zu Grunde liegt.
Trotzdem braucht es einen Nachweis - oder eben auch einen Gegenbeweis - zur Wirksamkeit im
Grunde jeder Form von Medizin oder Dienstleistung, um zwischen seriös und Scharlatanerie
unterscheiden zu können.

Ich meine, keiner von uns läßt sich ein 600er DSL gerne für ein 16000er DSL verkaufen - es wird ja
Geld verlangt für eine versprochene Dienstleistung - da möchte die Wirksamkeit schon auch
nachgewiesen werden. Weil sonst sind wir ganz schnell wieder da, wo man im Mittelalter schon mal
war: Ablaßhandel gegen die Sünden und so Scherze ... einziger Nutznießer derjenige, der das Geld
einnimmt. Zeitgemäß ist das heutzutage finde ich nicht mehr. Und ehrlich gesagt auch nicht, wenn
es sich "nur" um privat zu finanzierende/ rezeptfreie Arzneimittel handelt.
Etwas was als Medizin verkauft wird - soll denke ich (korrekt angewendet) auch Medizin sein. Sonst
wäre es tatsächlich Scharlatanerie oder sogar Betrug.
Insofern finde ich den Versuch, eine Nachweisbarkeit zu schaffen für die Wirksamkeit homöopathischer
Behandlungen (und ich sage absichtlich nicht "Mittel") tatsächlich dringend überfällig.

Je nach Ergebnis mag man dann Konsequenzen ziehen.


Und ja natürlich - absolute Zahlen sind schon immer sehr beeindruckend - egal ob es um den
Umsatz für homöopathische Medikamente, jährlich gezüchtete Greyhounds oder den EU-Rettungsschirm
geht.
Daß wo viel Geld im Spiel ist auch viel falsch laufen kann muß man in einem ExRacer Greyhound
Forum wohl nicht groß erklären - dafür gibt es hier ja wirklich genug Belege.
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Anne Sasson
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Re: Kritik an der Homöopathie

Beitrag von Anne Sasson »

Oval 5 hat geschrieben:
Ich denke, daß es tatsächlich Aufgabe der Homöopathen wäre, eine Methode zu entwickeln, die
der Homöopathie angemessen und doch eindeutig geeignet wäre, die Wirksamkeit homöopathischer
Behandlungen nachzuweisen.
Was würde das denn nützen, wenn die Methode nicht anerkannt wird?
Was bedeutet "geeignet"? "eindeutig"? Und wer legt das fest?

Ich bin gerne bereit, jederzeit viel Zeit und Energie zu investieren, um Menschen zu erklären, wie Homöopathie funktioniert. Ich finde dies sogar sehr spannend, ich mag die intellektuelle Auseinandersetzung mit Menschen, die bereit und offen genug sind, um darüber zu diskutieren. Manchmal gehen wir dann auseinander, und jeder ist auf seiner Position geblieben. Nicht tragisch, wenn alle weiterhin tolerant bleiben.

Aber missionieren? Um jeden Preis überzeugen wollen? Sich bei allem, was man tut, rechtfertigen zu müssen? Nein, das möchte ich nicht. Schließlich ist ja nun wirklich keiner gezwungen, sich und seine Tiere homöopathisch behandeln zu lassen.
Oval 5

Re: Kritik an der Homöopathie

Beitrag von Oval 5 »

Naja - ich sag es jetzt mal so - wer, wenn nicht die Homöopathen selber wäre denn in der
Lage, eine passende Nachweismethode zu entwickeln? Eigentlich doch niemand, oder?
Man muß doch die Mittel zum Patienten und seinen Symptomen wählen - das ist völlig
anders als wenn man ein Medikament gegen eine Krankheit verordnet. Kein Wunder,
wenn die "üblichen" Nachweisverfahren nicht funktionieren.

Mich jedenfalls wundert das nicht - ist halt so, daß nur der Affe auf den Baum kommt,
das Zebra aber nicht.

Und doch - einen Nachweis über die Wirksamkeit/Qualität ist man jemandem schuldig,
der für eine Dienstleistung Geld bezahlt. Das hat mMn nichts mit missionieren zu tun.
Wenn einer kommt und meinen verstopften Abfluß repariert, dann zahl ich den auch
nur, wenn der Abfluß nachher wieder frei ist.

In der Medizin kann man ja leider schlecht sagen, man zahlt nur, wenn man wieder
gesund wird. Deshalb finde ich es schon berechtigt, wenn jemand die Wirksamkeit
eines Behandlungsansatzes an sich gerne nachgewiesen haben möchte.
Weil im Umkehrschluß sonst wirklich jeder allen das Blaue vom Himmel versprechen
könnte ohne es einzulösen und dafür Geld nehmen. Das ist dann aber Betrug oder kann
es ganz schnell werden.

Aber sicher hast Du recht - es ist sehr schwer, eine Nachweismethode zu entwickeln,
die dann auch Gehör findet. Andererseits - gerade in der Medizin - hat eine Heilmethode
doch ein wirklich sehr starkes Argument, wenn sie tatsächlich heilt.
Gesundheit ist immerhin einer der zentralen Lebensbereiche schlechthin, ohne den wir
völlig verloren sind. Und je bezahlbarer wir Krankheiten kurieren können, desto größer
ist der gesellschaftliche Nutzen. Insofern denke ich, daß ein vertrauenerweckendes
Testverfahren, das von Spezialisten auf dem Gebiet entwickelt wurde und auch für die
Kritiker überzeugend wäre, durchaus Aussicht auf Anerkennung hätte.

Du weißt ja - ich gehöre zu denen, die tatsächlich immer wieder an das "Unmögliche"
glauben :D

Die Aufgabe das Thema zu fassen sehe ich aber tatsächlich bei denen, die damit ihr
Geld verdienen.
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Chrisi3506
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Re: Kritik an der Homöopathie

Beitrag von Chrisi3506 »

Oval 5 hat geschrieben:

Die Aufgabe das Thema zu fassen sehe ich aber tatsächlich bei denen, die damit ihr
Geld verdienen.
Dann müsste aber auch ab sofort jeder Schulmediziner nachweisen, warum ein Medikament nicht gewirkt hat, obwohl es doch nachweislich wirken müsste.

Gleiches Recht für alle ?
Schöne Grüsse Petra

"Man hat nicht ein Herz nur für Tiere oder nur für Menschen
Entweder man hat ein Herz für alle oder keins"
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Chrisi3506
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Re: Kritik an der Homöopathie

Beitrag von Chrisi3506 »

Anne Sasson hat geschrieben:
Was würde das denn nützen, wenn die Methode nicht anerkannt wird?
Was bedeutet "geeignet"? "eindeutig"? Und wer legt das fest?

Ich bin gerne bereit, jederzeit viel Zeit und Energie zu investieren, um Menschen zu erklären, wie Homöopathie funktioniert. Ich finde dies sogar sehr spannend, ich mag die intellektuelle Auseinandersetzung mit Menschen, die bereit und offen genug sind, um darüber zu diskutieren. Manchmal gehen wir dann auseinander, und jeder ist auf seiner Position geblieben. Nicht tragisch, wenn alle weiterhin tolerant bleiben.

Aber missionieren? Um jeden Preis überzeugen wollen? Sich bei allem, was man tut, rechtfertigen zu müssen? Nein, das möchte ich nicht. Schließlich ist ja nun wirklich keiner gezwungen, sich und seine Tiere homöopathisch behandeln zu lassen.
Ehrlich gesagt seh ich es genauso.

Jeder kann in der heutigen Zeit, wo man sich als mündiger Bürger überall erkundigen kann, selber entscheiden, welchen Weg er/sie geht.

Ich für mich weis, was die Homöopathie helfen kann - umgekehrt weis ich aber auch, wo die Grenzen sind, daher kombiniere ich auch mit der Schulmedizin.

Selbst bei der Ausbildung zum klassischen Homöopathen, wird immer wieder darauf hingewiesen, das es sehr wichtig ist mit der Schulmedizin zusammenzuarbeiten, also es sagt hier niemand, das man zu keinem Schulmediziner mehr gehen sollte.

Und was das Geld verdienen betrifft, an den Verdienst eines Schulmediziners wird ein Homöopath nie rankommen, daher hinkt der Vergleich schon sehr *sorry*
Schöne Grüsse Petra

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Entweder man hat ein Herz für alle oder keins"
Oval 5

Re: Kritik an der Homöopathie

Beitrag von Oval 5 »

Chrisi3506 hat geschrieben:
Oval 5 hat geschrieben:

Die Aufgabe das Thema zu fassen sehe ich aber tatsächlich bei denen, die damit ihr
Geld verdienen.
Dann müsste aber auch ab sofort jeder Schulmediziner nachweisen, warum ein Medikament nicht gewirkt hat, obwohl es doch nachweislich wirken müsste.

Gleiches Recht für alle ?
So hatte ich das wirklich nicht gemeint, - und ich dachte auch recht ausführlich geschrieben - daß der einzelne Doc/Homöopath seine Behandlung nachweisen soll - sondern daß die Homöopathen als Gesamtheit ein Verfahren entwickeln sollten, das die Wirksamkeit ihrer Arbeit nachweisen kann, das sich mit ihrer Arbeitsweise verträgt.

Die Schulmedizin (also auch nicht der einzelne Arzt) hat Verfahren entwickelt, die die Wirksamkeit von Medikamenten nachweisen. Diese Verfahren werden für jedes einzelne Medikament umgesetzt bevor es in den Handel kommt (und ich will das alles hier gar nicht werten bitte, sondern nur ansprechen).

Weil die Hömöopathie aber grundlegend anders arbeitet ist ein Nachweis der Wirksamkeit des einzelnen Mittels wie in der Allopathie eigentlich ich sag mal "albern" - weil das homöopathische Mittel ja eigentlich nicht isoliert wirkt sondern im Zusammenhang mit bestimmten Konstellationen bestimmte Reaktionen hervorrufen soll im Organismus und so die Heilung ermöglichen. Für einen Nachweis dieser Wirkung bräuchte es einfach andere Nachweismethoden und keiner, der nicht selber Homöopath ist, wäre wohl in der Lage diese Verfahren sinnvoll zu entwickeln.

Im übrigen würde ich mich gerne aus diesem Thema jetzt auch wieder zurück ziehen weil gesagt hab ich eigentlich, was ich denke und mein Herzblut hängt nicht an den Heilmethoden sondern an den Hunden. Für die Heilmethoden gehe ich persöhnlich eben gerne zu Spezialisten und tu dann, was mir die auftragen wenn es nötig ist.
Samira

Re: Kritik an der Homöopathie

Beitrag von Samira »

Hallo Zusammen,

nachfolgend noch zwei ganz interessante Beiträge zum Thema:

1) Homöopathie ist nicht Naturheilkunde
2) Ein SPIEGEL-Interview mit dem Mediziner Edzard Ernst zum Thema: Sollte die Homöopathie verboten werden


Homöopathie ist nicht Naturheilkunde
Angesichts der hohen Zustimmungsquoten für die Homöopathie stellt sich die Frage, wozu sich die Befragten eigentlich zustimmend geäußert haben.

Nach einer –übrigens im Auftrag von Homöopathen durchgeführten– Allensbach-Umfrage wissen nur 17 % der Bevölkerung, was Homöopathie ist.

74 % dagegen halten Homöopathie für Naturheilkunde oder glauben, dabei würden ausschließlich Pflanzenextrakte angewandt.

Sie würden vermutlich staunen, welche Inhalts- und Grundstoffe da tatsächlich verschüttelt und “potenziert” werden. Denn entgegen einem populären Irrtum nennt die homöopathische Literatur neben netten Pflänzchen auch so kuriose Stoffe wie Arsen, Plutonium, Polarstern, Vakuum, Speichel tollwütiger Hunde und Eiterflüssigkeit aus dem Krätzbläschen.

Auch Politiker und sogar Verbandsfunktionäre der Ärzteschaft, wie der Präsident der Bundesärztekammer, Jörg-Dietrich Hoppe, gehören entweder auch zu den 74 % Unwissenden oder nutzen diese Unwissenheit offenbar aus, um für Homöopathie zu werben. Pseudowissenschaft ist also nicht nur in der Politik, sondern selbst in den Verbänden der Ärzteschaft, Apotheker und Krankenkassen längst hoffähig geworden.
Der *Spiegel-Artikel hat heilsam gezeigt, dass der Kaiser Homöopathie nackt ist. Die Methode ist theoretisch und auch praktisch durch empirische Untersuchungen widerlegt. Nicht die Fakten, sondern die jahrzehntelange Lobbyarbeit der homöopathischen Industrie und ihrer ideologischen Helfer sind der Grund für die Verbreitung der Homöopathie.

Edzard Ernst, der im englischen Exeter die weltweit erste Professur für Komplementärmedizin innehatte, hält die “wissenschaftlichen” Vertreter der Homöopathie nicht einfach für verblendet oder realitätsfremd. Er ist sich im Spiegel sicher: “Viele lügen wie gedruckt” und “nutzen sie ihre Kenntnis der Wissenschaft, um die Leute hinters Licht zu führen”.

Die aktuelle öffentliche Diskussion ist gut, auch wenn einige auf ihr baldiges Ende hoffen mögen. Sie wird helfen, die verschrobene und überholte Ideologie der Homöopathie aus dem Nebel der Marketingsprüche ins Licht zu bringen.

Quelle

*Spiegel-Artikel:
Sollte die Homöopathie verboten werden? Der Mediziner Edzard Ernst erklärt im Interview mit SPIEGEL ONLINE, warum er die Heilung mit Globuli für gefährlichen Unfug hält - und warum es keine Rolle spielt, wie teuer sie sind.

SPIEGEL ONLINE: Herr Professor Ernst, in Deutschland glauben Tausende Patienten und Therapeuten an die Wirksamkeit der Homöopathie. Liegen sie alle falsch?

Ernst: Die Frage ist entschieden: Die homöopathischen Globuli wirken nicht besser als ein Scheinmedikament.

SPIEGEL ONLINE: Was macht Sie so sicher?

Ernst: Da gibt es mehrere Ebenen. Zunächst einmal sind die Prinzipien der Homöopathie biologisch in höchstem Maße unplausibel. Wie ein Arzneimittel wirken soll, das so hoch verdünnt ist, dass meist kein einziges Wirkstoffmolekül mehr darin enthalten ist, lässt sich mit den fundamentalen Erkenntnissen der Wissenschaft und den Naturgesetzen nicht in Einklang bringen. Wenn Wasser, wie die Homöopathen behaupten, wirklich eine Art Gedächtnis hat, dann müssten die Lehrbücher der Physik neu geschrieben werden - und das ist im allerhöchsten Maße unwahrscheinlich. Wenn jemand wirklich zeigt, wie die Homöopathie wirkt - dann hat er nicht einen Nobelpreis in der Tasche, sondern mehrere.

SPIEGEL ONLINE: Den meisten Patienten dürfte es egal sein, wie die Homöopathie wirkt. Sie sagen: Die Hauptsache ist, dass sie wirkt.

Ernst: Dagegen sprechen qualitativ hochwertige klinische Studien, in denen homöopathische Globuli mit Placebo-Globuli verglichen wurden. Über die Jahre haben Gesamtauswertungen dieser rund 150 Studien immer deutlicher gezeigt, dass Homöopathie auch auf klinischer Ebene nicht funktioniert. Seit über zehn Jahren zeigen alle gut gemachten Auswertungen weitgehend einheitlich: Homöopathie ist nicht wirksam. Und dieses Ergebnis ist auch nicht überraschend. Die homöopathischen Globuli bestehen genauso aus reinem Zucker wie die Placebo-Globuli.

SPIEGEL ONLINE: Trotzdem gibt es etliche Studien über Homöopathie mit einem positiven Ergebnis.

Ernst: Ja, aber das ist nur natürlich, dafür gibt es viele Erklärungsmöglichkeiten. Schlecht gemachte Studien zeigen zum Beispiel viel eher ein positives Ergebnis als gut gemachte. Zeigen Sie mir den Methodenteil einer Homöopathie-Studie - und dann sage ich Ihnen, wie das Ergebnis ist. Es kann aber auch ein systematischer Fehler in der Studie stecken, absichtlich oder unabsichtlich. Und auch bei den allerbesten Studien gibt es immer eine Irrtumswahrscheinlichkeit von fünf Prozent. Vor allem aber liegt es daran, dass Homöopathie-Studien mit negativem Ergebnis einfach nicht publiziert werden.

SPIEGEL ONLINE: Das Verschweigen negativer Ergebnisse wird aber auch der Pharmaindustrie vorgeworfen.

Ernst: Ja, aber dort geht es vor allem um finanzielle Interessen. Die Homöopathen hingegen befinden sich mitten in einem Glaubenskrieg. Da steckt noch viel mehr Wucht dahinter als hinter den Interessen des Geldbeutels.

SPIEGEL ONLINE: Die Homöopathen führen allerdings auch eine Reihe wissenschaftlicher Argumente an, warum sogenannte randomisiert-kontrollierte Studien, kurz RCTs, die zur Überprüfung der Wirksamkeit von Arzneimitteln internationaler Standard sind, für die Homöopathie nicht passen. Zum Beispiel sei die Homöopathie eine sehr individuelle Therapie.

Ernst: Das ist die typisch unwissenschaftliche Argumentation von Gläubigen: Wenn eine Studie nicht das zeigt, was man sich erhofft hat, dann ist nicht etwa das geprüfte Mittel unwirksam, sondern die Methode wird angegriffen. In RCTs lässt sich die individuelle Behandlungsweise der Homöopathie durchaus unterbringen. Der Homöopath kann im Rahmen einer solchen Studie seinen Patienten behandeln wie immer - der einzige Unterschied ist, dass ein Teil der Patienten am Ende nicht die homöopathischen, sondern die Zuckerkügelchen bekommt, und zwar ohne, dass der Arzt weiß, welcher seiner Patienten zu welcher Gruppe gehört. Selbst wenn Homöopathie auf metaphysische Art wirken würde oder durch ein Wunder, müssten RCTs positiv ausfallen, wenn es denn eine Wirkung gibt.

SPIEGEL ONLINE: Es gibt aber auch einen anderen Studientyp, sogenannte Anwendungsbeobachtungen, die regelmäßig zeigen, dass weit mehr als 50 Prozent der Behandelten mit Homöopathie geholfen werden kann.

Ernst: Das ist totaler Schmarren! Diese Studien sind das Papier nicht wert, auf dem sie gedruckt worden sind. Über die Wirksamkeit der Homöopathie sagen sie nichts aus, das weiß jeder, der sich auch nur ein bisschen in der Wissenschaft auskennt.

SPIEGEL ONLINE: Von Homöopathen und Wissenschaftlern, die der Homöopathie nahestehen, werden diese Studien aber immer wieder als Beleg für die Wirksamkeit herangezogen.

Ernst: Früher habe ich immer gedacht: Na gut, die sind eben ein bisschen überenthusiastisch, ein bisschen verblendet und realitätsfremd. Aber inzwischen bin ich mir sicher: Viele lügen wie gedruckt, das ist gar nicht anders zu erklären. Die wissen es eigentlich besser. Aber stattdessen nutzen sie ihre Kenntnis der Wissenschaft, um die Leute hinters Licht zu führen.

SPIEGEL ONLINE: Warum sollten Homöopathen bewusst lügen?

Ernst: Weil sie so überzeugt sind von dem, was sie machen. Ein paar Studien spielen da keine Rolle mehr. Von uns Wissenschaftlern behaupten Homöopathen ständig, dass wir militant seien. Dabei ist die Wissenschaft nicht dogmatisch und nicht militant. Wenn Sie sehen, was vor 30 Jahren die wissenschaftlich ausgerichtete Medizin wusste und was heute der Stand des Wissens ist - das ist vollkommen unterschiedlich, alles ist ständig im Fluss. Der berühmte Chirurg Ferdinand Sauerbruch, der 1951 gestorben ist, würde heute mit Sicherheit durch jede Chirurgieprüfung fallen. Der Begründer der Homöopathie, Samuel Hahnemann, starb mehr als 100 Jahre vor Sauerbruch - und er könnte natürlich auch heute noch alle Homöopathieprüfungen absolvieren. Denn die Homöopathie hat sich nicht wesentlich weiterentwickelt. Sie darf es auch gar nicht, denn sie ist ein Dogma.

SPIEGEL ONLINE: Würden Sie die Homöopathie am liebsten ganz verbieten lassen?

Ernst: Ich bin da nicht beseelt von einer Mission, denn ich bin Wissenschaftler. Aber wenn es nach mir ginge, würde die Homöopathie in die Geschichte der Medizin eingehen. Wo sie ja eine bedeutende Rolle hat. Es ist ohne Zweifel ein großes Verdienst Hahnemanns, all die gefährlichen schulmedizinischen Therapien seiner Zeit, etwa den Aderlass, in Frage gestellt zu haben.

SPIEGEL ONLINE: Wenn Homöopathie nur eine harmlose Scheinbehandlung ist - warum wollen sie deren Anhänger nicht einfach weitermachen lassen?

Ernst: Jede nicht effektive Behandlungsmethode birgt große Gefahren. Die Homöopathie hat zwar, da sie keine Wirkung hat, auch keine Nebenwirkungen. Aber die Gefahr ist, dass ernsthafte Krankheiten nicht effektiv behandelt werden, wenn Patienten einen Homöopathen aufsuchen - etwa Asthma, Mandelentzündungen, Lungenentzündungen, Scharlach oder Krebs. Die unter Homöopathen verbreitete Impfgegnerschaft halte ich sogar für gemeingefährlich. Aber es geht auch um den Fortschritt in der Medizin. Die Homöopathen meinen, dass sie für den Fortschritt stehen - aber in Wahrheit stellen sie einen Rückschritt dar.

SPIEGEL ONLINE: Sie können doch nicht ernsthaft behaupten, die Homöopathie gefährde den Fortschritt. Die medizinische Forschung hat doch in den letzten Jahren riesige Fortschritte gemacht.

Ernst: Mit Fortschritt meine ich das, was sich in den Köpfen der Menschen befindet, nicht die medizinischen Forschungsergebnisse. Es geht um die Indoktrinierung der Bevölkerung. Wenn wir glauben, dass das Schütteln von Hochpotenzen uns heilt, wenn wir an die mystischen Kräfte und diesen ganzen Käse glauben, wenn die Menschen beginnen, wissenschaftliches Denken abzulehnen und der medizinische Aberglaube zurückkehrt, dann kappen wir unsere besten Traditionen, dann sind wir auf dem Weg zurück ins Mittelalter.

SPIEGEL ONLINE: Warum ist die Homöopathie trotzdem so beliebt bei den Patienten?

Ernst: Ich denke, es hat viel damit zu tun, dass die Schulmedizin es nicht versteht, das tiefe Bedürfnis der Patienten nach Zuwendung zu befriedigen. Da geht es im Fünfminutentakt. Man kann kaum seinen Mund aufmachen und dem Arzt sagen, was einem wirklich auf dem Herzen liegt, und man ist schon wieder draußen mit einem Rezept. Da muss die Schulmedizin dringend umdenken. Sie darf die Ganzheitlichkeit auf keinen Fall der Alternativmedizin überlassen. Eine gute Arzt-Patient-Beziehung ist für mich die Basis jeder guten Behandlung, auch in der Schulmedizin.

SPIEGEL ONLINE: Was machen die Homöopathen besser?

Ernst: Bei den Homöopathen läuft der Arztbesuch eben viel angenehmer ab. Die Homöopathie ist eine sehr empathische Methode, eine Konsultation dauert oft länger als eine Stunde. Es gibt sogar Hinweise darauf, dass diese Konsultation, anders als die Globuli, durchaus eine Wirkung hat - als eine besondere Form der Psychotherapie. Das wäre für mich etwas, was man durchaus noch einmal wissenschaftlich untersuchen sollte: Was wirkt besser - eine homöopathische Konsultation oder eine Psychotherapie?

SPIEGEL ONLINE: Tatsache ist, dass die Schulmedizin den Patienten oft auch schadet - insbesondere solchen, die an nur schwer fassbaren, psychosomatisch bedingten Störungen leiden und dann jahrelange Patientenkarrieren durchlaufen. Sie bekommen unnötig Psychopharmaka, Schlafmittel, Schmerzmittel und werden sogar unnötig operiert. Könnte da die Homöopathie als vergleichsweise harmlose Placebotherapie nicht sinnvoll eingesetzt werden?

Ernst: Natürlich drängt sich dieser Gedanke erst einmal auf. Aber es kann für mich kein ethisches Verhalten sein, einem Patienten nicht die Wahrheit zu sagen und ihn stattdessen einfach mit einer Scheintherapie zu behandeln. Die Wahrheit wäre in diesem Fall: Ich sehe, dass du krank bist, dass du leidest. Wir sind uns sicher, dass das keine gefährliche Diagnose ist. Wir sind uns sicher, dass dir keine körperliche Therapie helfen wird - wahrscheinlich aber eine Psychotherapie. Ich glaube, dass Ehrlichkeit ein wichtiges Gebot in der Medizin ist. Das unehrliche Verhalten hilft dem Arzt vielleicht kurz aus der Bedrängnis, aber das ist nicht der richtige Weg. Es kann nicht darum gehen, ein großes Übel, also eine falsche schulmedizinische Therapie, durch ein kleines Übel, die Homöopathie, zu ersetzen. Es geht um eine ehrliche Therapie nach dem Stand der Wissenschaft. Und da hat die Homöopathie keinen Platz.

Quelle
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