Quelle FBRealität statt Tierarzt-Serienromantik – Ein ehrlicher Blick hinter die Kulissen
Liebe Tierfreundinnen und Tierfreunde,
was wir in den letzten Wochen und Monaten erleben, macht uns zunehmend betroffen – und ehrlich gesagt auch müde.
Immer häufiger sehen wir uns mit pauschaler Kritik konfrontiert, mit unrealistischen Erwartungen an unsere Arbeit und leider auch mit persönlicher Frustration, die sich in Bewertungen oder Beschwerden gegen uns oder unsere Kolleg:innen entlädt. Dabei scheint oft vergessen zu werden, was es bedeutet, heute eine Tierarztpraxis zu führen – und wie viele Menschen sich hier jeden Tag mit viel Engagement und Herz für Ihr Tier einsetzen.
Gerade der tierärztliche Notdienst, den wir im Saarland am Wochenende über die Tierärztekammer organisieren, ist ein Paradebeispiel für ein System, das nur noch funktioniert, weil engagierte Tierärzt:innen sich aufreiben.
Denn: Die Praxen tragen alle Kosten selbst. Wir müssen in Zeiten des Personalmangels dennoch Personal bereitstellen – für Fälle, die man weder vorhersagen noch planen kann. Es gibt Dienste, in denen kaum ein Patient kommt – und andere, in denen wir kaum Luft holen können. Und in den ruhigen Diensten arbeiten wir oft nicht kostendeckend, sondern schlicht aus Pflichtbewusstsein gegenüber Tier und Halter.
Was viele nicht wissen:
Ein erheblicher Teil der Notfälle sind keine echten Notfälle – sondern Fälle, die in der regulären Sprechstunde gut aufgehoben wären. Aber im Notdienst blockieren sie wichtige Kapazitäten. Gleichzeitig müssen wir alles dokumentieren, Datenschutzformulare einholen, neue Akten anlegen – alles bindet Personal, das wir eigentlich gar nicht haben.
Und hier möchten wir kurz innehalten:
Wir sind unserem Team von Herzen dankbar.
Was unsere Mitarbeiterinnen Tag für Tag und auch an Wochenenden leisten, ist nicht selbstverständlich.
Sie arbeiten unter hohem Druck, mit wachsender Bürokratie, gestiegenem Aggressionspotenzial mancher Kunden und einer stetigen Überlastung – und dabei behalten sie doch den Fokus auf das Wichtigste: Ihr Tier.
Ohne dieses Team gäbe es diese Praxis in dieser Form längst nicht mehr.
Zur Wahrheit gehört auch: Durch das Arbeitszeitgesetz können Mitarbeitende nach einem Notdiensteinsatz nicht einfach unter der Woche weiterarbeiten – wir als Praxisinhaber:innen jedoch schon. Und das tun wir auch. Tag für Tag. Weil es sonst niemand tut.
Dennoch müssen wir uns mittlerweile mit Beschwerden, Shitstorms, schlechten Online-Bewertungen und unsachlicher Berichterstattung auseinandersetzen. Kolleg:innen wie die Tierklinik Elversberg wurden in der Öffentlichkeit regelrecht „hingerichtet“ – ohne Rücksicht auf die enormen Belastungen, unter denen diese Kliniken arbeiten. Viele dieser Beiträge haben wenig mit Aufklärung zu tun, sondern viel mit Klickzahlen und Empörung. Sie richten Schaden an – für die betroffenen Menschen, für die Versorgung insgesamt und für die Motivation einer ganzen Berufsgruppe.
Denn wer macht diesen Job morgen?
Die Nachwuchszahlen sinken, die Bürokratie wächst, die wirtschaftliche Belastung nimmt zu. Wer heute eine Praxis gründet oder übernimmt, trägt alle Verantwortung allein: Für Gehälter, Versicherungen, für steigende Medikamentenpreise, Gerätekosten, für unübersichtliche Tierversicherungsanfragen, für alles. Und gleichzeitig wird erwartet, dass jede Landpraxis aussieht wie eine Uniklinik – wirtschaftlich ist das nicht mehr leistbar.
Viele Tierhalter:innen wissen zudem nicht, dass Notdienst bedeutet: Notversorgung – und nicht Rundumdiagnostik oder Wunschtermine am Wochenende.
Auch fehlt oft die Fähigkeit oder Bereitschaft, echte Notfälle von harmloseren Problemen zu unterscheiden.
Wir lieben unseren Beruf. Wir haben ihn gewählt, weil wir Tieren helfen wollen. Aber auch unsere Ressourcen sind endlich. Und wenn wir um Verständnis bitten, dann nicht, weil wir jammern wollen – sondern weil wir gehört werden müssen, bevor es zu spät ist.
Die Realität ist weit entfernt von heiler Tierarztwelt und Serienidylle. Die Realität ist:
Die Suizidrate unter Tierärzt:innen liegt vier- bis fünfmal höher als im Durchschnitt. Und in vielen Fällen war es genau diese Kälte, diese ungerechte Kritik, dieser letzte Kommentar, der das Fass zum Überlaufen brachte.
Wir bitten um mehr Empathie, gesunden Menschenverstand und Fairness
Ihr Praxisteam der Tierarztpraxis Timmermann und Ternes
Realität statt Tierarzt-Serienromantik – Ein ehrlicher Blick hinter die Kulissen
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Realität statt Tierarzt-Serienromantik – Ein ehrlicher Blick hinter die Kulissen
Auch das muss mal hier geteilt werden. Seien Sie dankbar wenn Sie am Abend, am Wochenende oder Feiertag den Notfall Ihres Lieblings versorgt bekommen. Die Anzahl der Kliniken und Praxen reduziert sich ständig und die Notversorgung ist nicht mehr überall gewährleistet. Tierbesitzer müssen teils 1h oder mehr in eine Klinik fahren. Zeit die Ihr Tier vielleicht irgendwann nicht mehr hat. Daher seien Sie freundlich und dankbar wenn Ihnen in der Not geholfen wird.

Nur wer einmal seinen Windhund jagen gesehen hat, der weiß, was er an der Leine hat!
Michaela