https://www.frontiersin.org/journals/ve ... sD4cyKISOwAUFREGUNG UM LIBRELA
Vorige Woche ist eine neue wissenschaftliche Studie erschienen, die schon hohe Wellen unter Tierärzten und Hundehaltern schlägt. Es handelt sich um eine erste Auswertung nach der Zulassung zur Wirkung und Nebenwirkungen des Wirkstoffs Bedinvetmab (Handelsname „Librela“) bei Hunden.
Seit 2021 auf dem Markt, wurde es von einigen als „Wundermittel“ in der Behandlung von Arthrose gehyped. Nun scheint sich der Hype gerade ins Gegenteil zu verkehren und Librela zum neuen „Teufelszeug“ zu werden.
In diesem Beitrag wollen wir versuchen, den Sachverhalt ein wenig einzuordnen:
Untersucht wurden sämtliche Nebenwirkungen mit Bezug zum Bewegungsapparat bei Hunden, die zwischen 2004 und 2024 an die EudraVigilance-Datenbank der Europäischen Arzneimittelagentur gemeldet wurden. Einbezogen wurden Meldungen für die sechs gängigsten nicht-steroidalen Entzündungshemmer (NSAID) – also Medikamente wie Rimadyl, Metacam & Co. - sowie für Librela.
Diese Daten wurden statistisch bereinigt und ausgewertet, und am Ende blieben 878 gemeldete „Bewegungsapparat-Nebenwirkungen“ übrig, von denen 90 % (789) den Librela-Patienten zugeordnet wurden. Die häufigsten darunter waren Bänder- oder Sehnenverletzungen sowie Knochenbrüche.
Außerdem wurden 19 Fallstudien von zwei Röntgenspezialisten ausgewertet, wovon 16 Fälle von einem oder beiden Experten als „sehr verdächtig für eine medikamentenbedingte Nebenwirkung“ eingestuft wurden.
Ist das also der Beweis, dass Librela tatsächlich „Teufelszeug“ ist und nur dazu dient, auf Kosten armer Hunde einen Pharmakonzern noch reicher zu machen?
Kurze Antwort: Nein, ist es nicht.
Längere Antwort:
Die Ergebnisse dieser Veröffentlichung sind zwar nicht schön, aber auch nicht völlig überraschend. Zunächst einmal ist das Studiendesign in Teilen fragwürdig, zumindest was die Fallstudien-Analyse angeht. Denn hier wird komplett ohne Vergleich mit Kontrollgruppe(n) gearbeitet. Interessant wäre nämlich gewesen, wie sich Hunde mit vergleichbarer Ausgangsdiagnose und Altersstruktur weiter entwickelt hätten, die entweder gar keine Medikamente oder aber nur die klassischen NSAIDs erhalten hätten.
Außerdem fällt auf, dass einige der Patienten bereits in mittlerem Alter (4-5 Jahre) oder sehr jungem Alter (unter zwei Jahren) bereits Librela erhalten haben. Auch die Indikationen, die ursächlich zur Anwendung von Librela geführt haben, sind bisweilen untypisch. Ein Hund erhielt es zur Behandlung einer OCD, ein anderer nach einer Kreuzbandriss-OP.
Die Funktion des Wirkstoffs besteht darin, den Nervenwachstumsfaktor (NGF) zu hemmen. Die Antikörper verhindern, dass der Nervenwachstumsfaktor an die Rezeptoren von schmerzleitenden Nervenzellen andocken kann. Das unterbricht den Kreislauf der Schmerzwahrnehmung und führt somit zu weniger Schmerzen. Andererseits scheinen ebendiese Nervenwachstumsfaktoren und deren Rezeptoren eine Rolle bei der Begrenzung von Entzündungsreaktionen zu spielen, was wiederum die Reparatur von erkranktem Skelettgewebe ermöglicht.
Deshalb kam es wohl auch zu den Nebenwirkungen bei den Tests in der Humanmedizin, wo bei Arthrosepatienten zwar die beabsichtigte Schmerzlinderung meistens erzielt wurden, aber auch öfter über ein rascheres Fortschreiten der Arthrosen berichtet wurde.
Alles Aspekte, die die Ergebnisse dieser Veröffentlichung nicht mehr sooo überraschend erscheinen lassen.
Was kann man daraus ableiten?
Dass Librela in vielen Fällen gut im Sinne einer Schmerzausschaltung und Mobilitätserhaltung bei vierbeinigen Arthrosepatienten funktioniert, ist unbenommen. Dies macht es aber nicht zum Schmerzmedikament der ersten Wahl bei sämtlichen Erkrankungen des Bewegungsapparates!
Das bleiben wohl auch weiterhin die NSAID, welche aber leider bei manchen Hunden unter dauerhafter Gabe Nebenwirkungen auf den Verdauungstrakt wie Magengeschwüre oder auch die Leber- und Nierenfunktion haben. Die schmerzlindernde Wirkung der NSAID beruht auf deren entzündungshemmenden Eigenschaften (weniger Entzündung => weniger Schmerz). Mit der Hemmung des Entzündungsgeschehens wird auch das Fortschreiten der Gelenksveränderungen verlangsamt.
Das führt dazu, dass manche Hunde eine Dauermedikation mit NSAID nicht gut vertragen. Manchmal lässt auch die Wirkung nach bzw. reicht nicht mehr aus.
In solchen Fällen hatte man bisher nur wenige weitere Optionen, eine davon ist die Gabe von Kortison. Da Kortison zwar „Lahme wieder gehen macht“, aber auch ein Sortiment an unerfreulichen Nebenwirkungen im Gepäck hat, wird es üblicherweise nur als ultima ratio verwendet, um einem austherapierten Patienten noch ein paar schöne (sprich: schmerzfreie) Monate zu bescheren.
Und hier kommt Librela ins Spiel (und wird von den Tierärztinnen und Tierärzten auch in der Regel so empfohlen): Bei einem austherapierten Hund, bei dem Schmerzen aufgrund von Gelenksarthrosen und -arthritis massive Auswirkungen auf die Lebensqualität haben und wo NSAID nicht vertragen oder nicht ausreichend wirksam sind, kann Librela noch für eine Verlängerung der schmerzfreien Zeit und damit auch der Lebensdauer bei guter Lebensqualität führen. Sprich: Für den dreizehnjährigen Hund mit doofen Arthrosen in diversen Gelenken oder auch den fünfjährigen Vierbeiner mit totaler Schrotthüfte, die beide vermutlich nicht mehr so wahnsinnig lange leben werden.
Wir haben auch mit Greyhounds in vergleichbaren Umständen gute Erfahrungen gemacht: Ein Rüde bekam beispielsweise Librela ein gutes Jahr lang ab dem Alter von 12 Jahren, Mit 13,5 Jahren wurde er dann aufgrund eines Lebertumors eingeschläfert. Für diesen Zeitraum hat ihm das Librela wesentliche Lebensqualität und Mobilität geschenkt – sonst wäre er vermutlich schon einige Zeit früher euthanasiert worden.
Solche Studien sind gut und wichtig, sollten aber nüchtern betrachtet werden. Die Kolleginnen und Kollegen in der tierärztlichen Praxis versuchen stets das Beste für ihre Patienten. Da kann sich herausstellen, dass Methoden und Erkenntnisse irgendwann überholt sind. Dafür muss sich niemand schämen, solange neue Informationen angenommen und angewandt werden. Diese Veröffentlichung weist auf ein mögliches Problem hin, ist jedoch aufgrund bestimmter Schwächen im Studiendesign nicht beweisend.
Wie eigentlich von den meisten Tierärzten praktiziert, sollte Librela nur nach hinreichender Abwägung und Aufklärung der Hundehalter verwendet werden. Dann ist es – wenig verwunderlich – weder Teufelszeug noch Wundermittel
Quelle: The Greyhoundshow Facebook