Die Sarcoptes- oder Fuchs-Räude

was gibt es für Parasiten, Keime, Erreger etc. und was kann man dagegen tun?
Antworten
Benutzeravatar
Greyhound-Forum
Administrator
Beiträge: 14872
Registriert: Mi 12. Jan 2011, 06:44

Die Sarcoptes- oder Fuchs-Räude

Beitrag von Greyhound-Forum »

Von Ralph Rückert, Tierarzt


Irgendwie hätte ich nie gedacht, dass ich mal einen Artikel über dieses Thema schreiben würde, weil es mir dafür immer als zu banal und unbedeutend erschien. Das erste Quartal dieses Jahres hat mich diese Meinung gründlich revidieren lassen. Ich hatte in meinem ganzen, langen Berufsleben noch nie so viele Fälle von Fuchsräude gleichzeitig in Behandlung wie zur Zeit. Verschiedene Kolleginnen und Kollegen berichten von gleichartigen Erfahrungen. Woran das liegt? An dem Winter, der keiner war und der sicher sehr viele Füchse hat überleben lassen, die sonst keine Chance gehabt hätten? Ich weiß es nicht.

Bild zur NeuigkeitBild zur Neuigkeit


Also, dann stelle ich Ihnen mal wieder so einen kleinen Kotzbrocken aus den Top Ten der Parasitologie vor: Die Grabmilbe Sarcoptes scabiei (siehe Foto von Joel Mills über Wikipedia), Unterart Canis (spezialisiert auf den Hund) und Unterart Vulpes (Fuchs). Welche von den beiden Unterarten sich auf und in Ihrem Hund rumtreibt, kann uns herzlich egal sein, denn sowohl die Symptome als auch die Behandlung unterscheiden sich nicht.


Die Grabmilben haben natürlich ihren Namen nicht von ungefähr. Sie graben Gänge in die Haut, ernähren sich von Keratin und Gewebsflüssigkeit und ziehen da auch ihren Nachwuchs groß. Von Eiablage bis zur adulten Milbe dauert der Fortpflanzungszyklus nur ungefähr drei Wochen.


Dieses lebhafte Treiben der Milben in der Haut hat eine schnelle Allergisierung des Wirtstieres zur Folge und führt damit zum Hauptsymptom der Sarcoptes-Räude, einem sehr starken Juckreiz, der sich in fast pausenlosem Bekratzen äußert. Die betroffenen Hautstellen können sich auch stark röten, weshalb die Sarcoptes-Räude früher auch als "Rote Räude" bezeichnet wurde.


Die Krankheit beginnt mit kleinen, roten Papeln oder Pusteln im Bereich der Ohren, der Augen, am Kinn, unter den Achseln, an den Ellbogen, am Bauch und an den Fersengelenken. Im weiteren Verlauf entstehen durch die Schadwirkung der Milben und das intensive Bekratzen auch haarlose Bereiche, Krusten und eine zunehmende Verhornung der Haut (sogenannte Elefantenhaut). Praxistipp: Die Hautveränderungen an den Ohren erfolgen bei Räude immer vom Rand her. Derartig veränderte Hautareale sind natürlich weit offene Einfallstore für Milliarden von Bakterien, die dann zusätzlich eitrige Sekundärinfektionen auslösen können.


Einen Sonderfall, von dem ich nur in der Literatur gelesen, den ich aber selbst noch nie gesehen habe, stellt wohl die "Norwegische Räude" dar, bei der die typischen Hautveränderungen verblüffenderweise NICHT von intensivem Juckreiz begleitet werden. Diese Form der Erkrankung soll wohl bei schwer immungeschädigten Tieren auftreten.


Die Sarcoptes-Räude ist nicht jahreszeitenabhängig und hochansteckend. Ein kurzer Körperkontakt zu einem infizierten Tier reicht für eine sofortige Übertragung aus. Die Ansteckung kann aber auch indirekt erfolgen, da die Milben selbst in abgeworfenen Hautbestandteilen (Schuppen, Krusten) bis zu drei Wochen überleben. Wo sich also in freier Wildbahn einer der wohl in letzter Zeit nach Angaben der Jagdverbände sehr häufigen räudigen Füchse herumgetrieben hat, besteht akute Ansteckungsgefahr. Aber auch im Haushalt eines erkrankten Hundes sollte auf verstärkte hygienische Bemühungen wie häufiges Putzen / Saugen und Waschen der Liegeunterlagen geachtet werden. Fellpflegeutensilien wie Bürsten und Kämme müssen entweder gründlichst gereinigt oder entsorgt werden.


Übrigens: Die Räudemilben machen auch vor Menschen nicht halt. Sie fühlen sich in Menschenhaut aber nicht wirklich zu Hause, so dass hier nur das Krankheitsbild einer kurzzeitigen und von selbst heilenden Pseudo-Krätze entsteht. Juckende Hautflächen mit roten Pusteln beim Hundebesitzer können somit aber ein weiteres Indiz für das Vorliegen einer Sarcoptes-Räude beim Hund sein.


Bei jedem starken und relativ spontan auftretenden Juckreiz muss man an die Sarcoptes-Räude als Ursache denken. Die Bestätigung der Verdachtsdiagnose kann ein Problem sein. Zwar sind die Milben in Hautgeschabseln mikroskopisch nachweisbar, da aber bereits die Anwesenheit sehr weniger Milben zur Auslösung der beschriebenen Symptome ausreicht, müsste man sehr viele Geschabsel von großen Hautarealen untersuchen, um Milben zu finden. In einem gewissen Prozentsatz der Fälle gelingt dies trotz aller Bemühungen nicht.


Über eine Blutuntersuchung können Antikörper gegen Sarcoptes-Milben nachgewiesen werden. Aber auch hier gibt es ein Problem: Der Antikörper-Titer steigt oft erst einige Zeit nach Auftreten des Juckreizes und anderer Symptome, was gerade zu Beginn der Erkrankung leicht zu einem falsch negativen Ergebnis führen kann.


In nicht wenigen Fällen ist deshalb eine sogenannte diagnostische Therapie die einfachste und sicherste Vorgehensweise: Lässt nach der Anwendung eines für die Behandlung der Räude zugelassenen Medikaments der Juckreiz innerhalb weniger Tage nach, kann man davon ausgehen, dass man mit seiner Verdachtsdiagnose richtig lag. Dann sollte die Behandlung konsequent bis zur Elimination der Milben weitergeführt werden.


Die Sarcoptes-Räude ist ein schönes Beispiel dafür, was moderne Medizin und Pharmakologie ausrichten können. Eigentlich ist die Krankheit für befallene Tiere, die keinen Zugang zu medizinischer Versorgung haben, fast eine Garantie für einen sehr qualvollen Tod. Erkrankte Füchse und Straßenhunde (siehe Foto von Jack Merridew über Wikipedia) bieten in der Endphase ein extrem bemitleidenswertes Bild und sterben wohl meist innerhalb von drei, vier Monaten. Kommen aber die korrekten Medikamente zur Anwendung, ist die Behandlung mehr oder weniger ein Klacks. Sie kann sich zwar über mehrere Wochen ziehen, die quälenden Symptome werden aber sehr schnell gelindert.


Eine Zulassung für die Behandlung der Sarcoptes-Räude haben in Deutschland zur Zeit die Wirkstoffe Selamectin (Handelsname Stronghold, ein SpotOn), Moxidectin (Handelsname Advocate, ebenfalls ein SpotOn) und (ganz neu) Sarolaner (Handelsname Simparica, eine Kautablette).


Dass die normalerweise zur Floh- und Zeckenbekämpfung eingesetzte Wirkstoffgruppe der Isoxazoline, zu der neben Sarolaner (Simparica) auch noch Fluralaner (Bravecto) und Afoxolaner (NexGard) gehören, erfolgreich gegen die Sarcoptes-Räude angewendet werden kann, hat sich schon länger angedeutet. Bisher hat aber nur das erst vor kurzem zugelassene Simparica die offizielle Zulassung für diese Indikation. Simparica erleichtert die Behandlung zwar, weil nach Produktinformation eine nur zweimalige Verabreichung im Abstand von vier Wochen für eine Elimination der Milben ausreichend sein soll, der am dringendsten gewünschte Effekt der Behandlung, nämlich die Reduktion des Juckreizes, tritt aber wohl leider erst recht spät auf.


Hier zeigen sich die SpotOns Stronghold und Advocate als klar überlegen, da bei ihrer Anwendung der Juckreiz innerhalb von Tagen nachlässt. Im weiteren Verlauf müssen diese Präparate aber nach allgemeiner Erfahrung deutlich mehr als nur zweimal verabreicht werden, um eine endgültige Elimination der Milben zu garantieren. Als ideale Vorgehensweise mag es also Sinn machen, nach einer einmaligen Anwendung eines der beiden SpotOns zur sofortigen Linderung des Juckreizes die Behandlung mit einer zweimaligen Gabe von Simparica fortzuführen. Wir werden sehen, was sich diesbezüglich in nächster Zeit ergibt.


Stronghold, Advocate, Simparica, Bravecto, NexGard? Ja, das sind alles Präparate, die von Hundehalterinnen gern und ad nauseam mit dem verächtlichen Begriff „Chemiebomben“ („...wie kann man nur seinem Hund...“, „...kommt uns nicht ins Haus...“) beschrieben werden. Das ist auch der Grund, warum Tierärzte (ich gebe zu: auch ich) bei der Anwendung oder Abgabe dieser Medikamente zur Bekämpfung einer akuten Sarcoptes-Räude immer gern so ein leicht amüsiertes Glitzern in den Augen haben. Nicht, dass wir kein Mitgefühl mit Ihrem erkrankten Hund hätten, nein, aber es ist halt irgendwie lustig, wie zuverlässig die Fuchsräude selbst bei ganz hartgesottenen Vertreterinnen der Kokos- und Schwarzkümmelöl-Fraktion für weiche Knie sorgt, und wie dankbar die angeblich so inakzeptablen Chemiebomben plötzlich angenommen werden.


Sorry, der kleine Seitenhieb musste sein. Aber nochmal zurück zum Thema: Kann man vorbeugen? Ich denke schon. Wie Sie in einem anderen meiner Artikel eventuell schon gelesen haben, bin ich kein Freund von Bravecto, NexGard und Simparica zur Floh- und Zeckenprophylaxe. Trotzdem: Bei einem Hund, der diese Präparate dauerhaft einnimmt, werden Sarcoptes-Milben wohl kaum Fuß fassen können. Und auch Hunde, die dauerhaft durch pyrethroidhaltige SpotOns oder Halsbänder geschützt sind, sollten eigentlich aufgrund der repellierenden und akariziden Eigenschaften dieser Präparate ganz gute Karten haben.


Für die Besitzer befallener Hunde ist es nichtsdestotrotz eine nicht wegzudiskutierende Verpflichtung, für eine gewisse Zeit (mindestens bis zum vollständigen Verschwinden aller Symptome) Hundekontakt zu vermeiden. Es ist NICHT nett, eine ganze Gassi-Gruppe mit dieser Krankheit anzustecken.


Bleiben Sie uns gewogen, bis bald, Ihr


Ralph Rückert
http://www.tierarzt-rueckert.de/blog/de ... 3&ID=19563
Bild
Nur wer einmal seinen Windhund jagen gesehen hat, der weiß, was er an der Leine hat!
Michaela
Antworten

Zurück zu „Parasiten, Keime, Erreger und übertragene Krankheiten“