Komplexmittel aus Sicht der klassischen Homöopathie

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Anne Sasson
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Komplexmittel aus Sicht der klassischen Homöopathie

Beitrag von Anne Sasson »

Hallo,

in einem anderen Thread wurden Komplexmittel besprochen und ich würde gerne die Sicht eines klassischen Homöopathen auf die Verschreibung von Komplexmitteln schildern.

Das Thema Komplexmittel wird sehr kontrovers diskutiert, ich möchte deshalb im Rahmen meines Newsletters aus dem Blickwinkel der klassischen Homöopathie meine Meinung äußern und begründen.

Wenn man es genau nimmt – und das tue ich – sind Komplexmittel nicht homöopathisch, weil klassische Homöopathen ausschließlich mit Einzelmitteln arbeiten. Und zwar mit dem Mittel, das dem Patienten entspricht, nicht der Erkrankung. Was bedeutet es, wenn jemand sagt, dass er Schnupfen hat? Dem einen läuft die Nase permanent, dem anderen nur bei Luftzug oder wenn er in ein warmes Zimmer eintritt, der Dritte hat dagegen eine verstopfte Nase, nur morgens. Lassen wir mal die genauen Beschreibungen der Absonderungen beiseite, die müsste man aber auch in Erfahrung bringen. Und natürlich alle weiteren Symptome und Modalitäten (bei Wärme besser/schlechter, braucht Gesellschaft/will lieber alleine sein, ist weinerlich/ärgerlich usw). So wird klar, dass das Mittel, das meinen Schnupfen geheilt hat, beim Nachbarn nicht zwangsläufig helfen wird.

Wenn ich im Repertorium nach Schnupfen suche, kommen 328 Mittel, darunter 22 hochwertig. Natürlich haben manche dieser Mittel mehr Bezug zur Erkrankung als andere, was dann die Auswahl noch etwas weiter einschränkt. Es bleibt trotzdem eine ganze Menge Mittel über, die es zu differenzieren gilt.

Das bedeutet eine Menge Arbeit. Deshalb kam man auf die Idee, eine größere Auswahl von Mitteln zusammenzuwürfeln, nach dem Prinzip: Eins davon wird schon helfen. Der therapeutische Ansatz ist ganz und gar schulmedizinisch. Gegen Schnupfen gebe ich Schnupfikum - undifferenziert, für alle Patienten.

Schön und gut. Aber warum soll ich mich mit mühsamer Differenzierung quälen, wenn’s auch einfacher geht?

Viele Tierhalter können bestätigen, dass sie nach der Gabe von Komplexmitteln eine Wirkung feststellen. Das zweifle ich auch nicht an. Aus Sicht des Homöopathen ergeben sich jedoch bei der Verschreibung von Komplexmitteln folgende Probleme:

- in den Zusammensetzungen finden wir fast immer einige Mittel, die gegeneinander wirken.
Auch wenn sich das richtige Mittel darunter befindet, wird das Komplexmittel nicht wirken können.

- In den Zusammensetzungen befinden sich Mittel, die in die richtige Richtung gehen aber eben nicht ganz richtig sind (also nicht ganz genau meinem Schnupfen entsprechen). Wenn man diese Mittel in häufigen Wiederholungen derselben Potenz gibt (wie das bei Komplexmitteln der Fall ist), kann man eine positive Wirkung oberflächlich feststellen. Dabei ist die Erkrankung nur unterdrückt. Mein Schnupfen ist weg: Ich freue mich riesig. 2 Monate später bekomme ich eine Darmentzündung. Die Erkrankung ist ein Stufe tiefer gewandert, von der Nase in den Darm, von einem vergleichsweise unwichtigen zu einem wichtigeren Organ ... Zunächst sieht man keinen Zusammenhang, es sind ja zwei verschiedene Sachen, die eine hat mir der anderen ja nichts zu tun. Oder doch? In der Praxis sehen wir sehr oft, wie an einer Stelle unterdrückte Erkrankungen ein Schlupfloch suchen, um wieder in Erscheinung zu treten.

- Komplexmittel werden in häufigen Wiederholung einer unveränderten Potenz verabreicht: Dadurch kann es zu einer sog. Arzneimittelprüfung kommen. Der Patient entwickelt Symptome aufgrund der Überdosierung eines oder mehrerer enthaltener Mittel. Der Zusammenhang mit der Komplexmittelgabe wird meistens nicht erkannt, auch hier man nimmt einfach an, dass der Patient jetzt unter einer anderen Krankheit leidet.

Zusammenfassend kann man also sagen, dass es sich bei Komplexmitteln nicht um eine Therapieform im Sinne der klassischen Homöoapathie handelt. Es ist durchaus möglich, dass man mit Komplexmitteln eine Linderung der Symptome erreicht. Dabei sollten mögliche Unterdrückungen und Arzneimittelprüfungen, die auf die Verabreichung von Komplexmitteln zurückzuführen sind, nicht außer Acht gelassen werden.
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Chrisi3506
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Re: Komplexmittel aus Sicht der klassischen Homöopathie

Beitrag von Chrisi3506 »

Hallo Anne,

vielen Dank für deinen sehr informativen Beitrag !

Ab und an verwende ich auch Komplexmittel, aber klar sie sind nicht für einen längeren Zeitraum gedacht und wenn man die Möglichkeit hat, direkt die klassische Homöopathie anzuwenden, sollte man das auf jedenfall tun.
Schöne Grüsse Petra

"Man hat nicht ein Herz nur für Tiere oder nur für Menschen
Entweder man hat ein Herz für alle oder keins"
Oval 5

Re: Komplexmittel aus Sicht der klassischen Homöopathie

Beitrag von Oval 5 »

Erst mal Danke für den Beitrag - soweit ist das alles klar und verständlich. Ich
finde es auch wirklich logisch..

Ein "aber" habe ich natürlich auch... leider :-)
Wie soll man unter den Umständen die Homöopathie überhaupt auf Tiere anwenden können - speziell wenn man nicht selber der Homöopath ist und nicht vor hat 20 Stunden für eine verstauchte Pfote beim TA zu verbringen?

Ganz, ganz ehrlich: Für einen Menschen halte ich diesen Ansatz für durchaus wertvoll, praktikabel und auch zielführend, was ich mit meinem Tier beim Homöopathen soll, ist mir unter den Vorraussetzungen (die ja einfach so sind und nicht künstlich so konstruiert werden) allerdings schleierhaft.

Wenn ich zum Tierarzt fahre, dann hat mein Tier in der Regel ein akutes und ernst zu nehmendes Problem jetzt und sofort. Da ist meistens nicht Zeit z.B. raus zu finden, ob das morgens schlimmer ist oder abends - ganz abgesehen davon, daß Tiere das häufig auch nicht sichtbar zeigen.

Also so ganz praxisnah kann ich momentan den Sinn für die Tierheilkunde höchstens bei chronischen Problemen erkennen.
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Chrisi3506
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Re: Komplexmittel aus Sicht der klassischen Homöopathie

Beitrag von Chrisi3506 »

Das schöne ist -

Die natürlichen Heilmittel - wie eben auch die Homöopathie - wirken bei den Tieren schneller und besser als bei den Menschen...

Warum ?

Weil die Tiere uns vertrauen...der Mensch zweifelt an alles und jedem und glaubt auch schon gar nicht an die Wirkung - diese *denken* ist ja den Tieren fremd, sie nehmen die Situation so hin wie sie ist...

Ich merks bei mir selber, bin ich in homöopathischer Behandlung, dann dauert das alles viel länger, obwohl ich von der Homöopathie absolut überzeugt bin - und trotzdem bin ich eben Mensch - der alles hinterfragen muss

Werden meine Tiere behandelt, wirkt die Homöopathie dagegen sehr schnell :-)

Und bitte nicht falsch verstehen, ein Homöopath ersetzt ja keinen Gang zum Tierarzt - die beiden sollten sich ja ergänzen. Auch die Homöopathie braucht genauso die Schulmedizin um z.b. die Diagnose zu erstellen

Aber das kann sicher Anne viel besser erklären :-)
Schöne Grüsse Petra

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Oval 5

Re: Komplexmittel aus Sicht der klassischen Homöopathie

Beitrag von Oval 5 »

Ah - nee, auf die Idee, den Homöopathen nicht als Arzt einzustufen wäre ich jetzt gar nicht gekommen...

Und ehrlich: Ich hinterfrag meinen Arzt auch nicht erst mal.
Hab ich kein Vertrauen, geh ich nicht hin! Im Umkehrschluß ist das aber dann genauso; gehe ich hin, habe ich auch vertrauen und dann hinterfrage ich auch nicht. Ich frage - das schon (weil ein bisschen Neugier ...) und ich möchte auch Antworten/ Erklärungen. Aber wenn der sagt: Die da 2 mal täglich mit 12 Stunden Abstand mit viel kaltem Wasser... - na dann mach ich das und gehe davon aus, daß der weiß, was er sagt.
Wie gesagt - hab ich das Vertrauen nicht, bekommt mich der Arzt gar nicht erst zu Gesicht.
shorty

Re: Komplexmittel aus Sicht der klassischen Homöopathie

Beitrag von shorty »

Wenn ich Anne richtig verstanden habe, ging es weniger um die
die Frage der Wirkung der Homöopathie/ homöopathieschen Mittel ansich,
denn darum Komplexmittel mit Konstituionsmitteln zu vergleichen.
Also die Kontroverse von klassischer Homöopathie zu denen, die
auch Komplexmittel empfehlen.

Ich denke, dass es grundsätzlich absolut richtig ist,
das exakte Mittel zu finden,
so wie das auch schulmedizinisch eigentlich der Fall sein sollte.
Nur gibt es eben auch bei Tieren wie beim Menschen nicht
immer ganz klare Schilderungen.
Und gerade beim Tier muss sich dann der behandelte Homöopath
auf die Aussagen und dessen Beobachtungsgabe des besitzendes Menschen verlassen.
So dass es doch manchmal schon auch Sinn machen kann,
eine Behandlung mit Komplexmitteln zu beginnen, oder?

Oder eben im akuten Fall eines Unfalls, wo 1.Hilfe ansteht
aber noch nicht klar ist, was genau verletzt wurde.
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Anne Sasson
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Re: Komplexmittel aus Sicht der klassischen Homöopathie

Beitrag von Anne Sasson »

Oval 5 hat geschrieben:Erst mal Danke für den Beitrag - soweit ist das alles klar und verständlich. Ich
finde es auch wirklich logisch..

Ein "aber" habe ich natürlich auch... leider :-)
Wie soll man unter den Umständen die Homöopathie überhaupt auf Tiere anwenden können - speziell wenn man nicht selber der Homöopath ist und nicht vor hat 20 Stunden für eine verstauchte Pfote beim TA zu verbringen?

Ganz, ganz ehrlich: Für einen Menschen halte ich diesen Ansatz für durchaus wertvoll, praktikabel und auch zielführend, was ich mit meinem Tier beim Homöopathen soll, ist mir unter den Vorraussetzungen (die ja einfach so sind und nicht künstlich so konstruiert werden) allerdings schleierhaft.

Wenn ich zum Tierarzt fahre, dann hat mein Tier in der Regel ein akutes und ernst zu nehmendes Problem jetzt und sofort. Da ist meistens nicht Zeit z.B. raus zu finden, ob das morgens schlimmer ist oder abends - ganz abgesehen davon, daß Tiere das häufig auch nicht sichtbar zeigen.

Also so ganz praxisnah kann ich momentan den Sinn für die Tierheilkunde höchstens bei chronischen Problemen erkennen.

Hallo,

glücklicherweise können Tierhomöopathen auch sehr wirksam akute Erkrankungen heilen. Ernstzunehmende Erkrankungen ebenfalls. Die Aufnahme eines akuten Falls erfolgt selbstverständlich nicht wie die Aufnahme eines chronischen Falls. So blöd sind Homöopathen auch nicht, dass sie erstmal stundenlang Symptome zu "frühwelpischen" Beschwerden an der linken Pfote erheben, wenn das Ohr knallrot ist und höllisch juckt!

Übrigens halte ich in der Homöopathie wie in der Schulmedizin nicht sehr viel von Selbstmedikation. Nicht aus Gründe der Geschäftstüchtigkeit, sondern weil es tatsächlich Schäden anrichten kann. Ich zum Beispiel habe keine Ausbildung für Akupunktur. Es würde mir doch nie in den Sinn kommen, mir für 9,95 einen Ratgeber zu holen und meine Hunde zu nadeln...

Allerdings ist es dein sehr gutes Recht - und ich bin die Letzte, die dir diesen absprechen möchte -, deine Tier schulmedizinisch behandeln zu lassen.
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Anne Sasson
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Re: Komplexmittel aus Sicht der klassischen Homöopathie

Beitrag von Anne Sasson »

Chrisi3506 hat geschrieben:
Und bitte nicht falsch verstehen, ein Homöopath ersetzt ja keinen Gang zum Tierarzt - die beiden sollten sich ja ergänzen. Auch die Homöopathie braucht genauso die Schulmedizin um z.b. die Diagnose zu erstellen
Klar brauchen wir Tierärzte, Blut- und Röntgenbilder. Die Diagnose spielt nicht unbedingt bei der Mittelwahl eine entscheidende Rolle, aber sie ermöglicht eine bessere Beurteilung des Fallverlaufs. Es wäre auch sehr schön, wenn TÄs und Homs sich tatsächlich ergänzen könnten, wenn der Tierhalter es so möchte. Glücklicherweise gibt es immer mehr Tierärzte, die es ähnlich sehen. Mein TA kennt mich schon: Er weiß, ich möchte von ihm eine Diagnose haben und auch seinen Vorschlag für eine Behandlung aus seiner schulmedizinischen Sicht. Dann entscheide ich, ob ich seinen Rat befolge oder homöopathisch behandle (und manchmal wg. Betriebsblindheit beim eigenen Hund behandeln lasse). Das ist gute Teamarbeit.
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Greyhound-Forum
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Re: Komplexmittel aus Sicht der klassischen Homöopathie

Beitrag von Greyhound-Forum »

Es wäre auch sehr schön, wenn TÄs und Homs sich tatsächlich ergänzen könnten, wenn der Tierhalter es so möchte. Glücklicherweise gibt es immer mehr Tierärzte, die es ähnlich sehen.
"hpf" Ich kann mich glücklich schätzen, dass mein TA die Diagnose stellt, mir eine Behandlung vorschlägt, aber auch sein OK gibt, wenn ich es bei meiner THP zuerst probiere .....
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Nur wer einmal seinen Windhund jagen gesehen hat, der weiß, was er an der Leine hat!
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Anne Sasson
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Re: Komplexmittel aus Sicht der klassischen Homöopathie

Beitrag von Anne Sasson »

shorty hat geschrieben: Und gerade beim Tier muss sich dann der behandelte Homöopath auf die Aussagen und dessen Beobachtungsgabe des besitzendes Menschen verlassen.
Ja, das ist die Herausforderung. Es ist ganz schwierig, wenn einer kommt und sagt "Mein Hund hat Durchfall, ansonsten ist er normal" und auf Fragen immer Antworten wie "Na ja, habe ich nie drauf geachtet" oder "Ich schätze mal, normal für einen Hund" ... kommen.
So dass es doch manchmal schon auch Sinn machen kann, eine Behandlung mit Komplexmitteln zu beginnen, oder?
Ich sage einfach mal: Nein.
Oder eben im akuten Fall eines Unfalls, wo 1.Hilfe ansteht aber noch nicht klar ist, was genau verletzt wurde.

Da sage ich auch einfach mal: Nein.
Dass man nicht weiß, was los ist, kann m.E. keine gute Begründung für eine Behandlung sein, egal welcher Art.
Unfall: Ist der Hund in blanker Panik, schreit wie am Spieß, ist überaus vital und scheint wahnsinnige Schmerzen zu habe, wird nicht lange gefackelt, es gibt Aconitum. Die Lage beruhigt sich, ich kann besser gucken, vielleicht ist ein Bluterguss/eine Schwellung irgendwo zu sehen, an einem Körperteil, wo viele Muskeln sind, kommt schon mal Arnica in Frage. Ist die verletzte Stelle im nervenreichen Gewebe (Pfoten, Wirbelsäule) würde ich statt Arnica Hypericum geben...usw, usw.

In diesem Bereich glaube ich, dass Tierhalter sich gute Kenntnisse über einige Notfallmittel aneignen sollten, damit sie eben im Notfall auch schnell und sicher handeln können und nicht immer nur Arnica in den Hund packen.
Zuletzt geändert von Anne Sasson am Do 6. Okt 2011, 09:19, insgesamt 1-mal geändert.
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