Rund um das Thema Vergiftung beim Hund

rund um die Versorgung bei einer Erkrankung
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Rund um das Thema Vergiftung beim Hund

Beitrag von Greyhound-Forum »

Um das Wichtigste gleich vorweg zu nehmen: hier ist weniger mehr! Ihr Handeln bei Verdacht auf eine Vergiftung sollte vor allem das Ziel verfolgen, so schnell als möglich den Tierarzt zu erreichen und weniger auf Entgiftung ausgerichtet sein.

Mit einem Hund im Haushalt sollten Sie sich verhalten wie mit einem kleinen Kind – weg mit den Chemikalien (Putz- und Reinigungsmittel, Chemie für den Garten) aus der Reichweite des Vierbeiners. Medikamente, die Ihnen verschrieben wurden, sind für den Hund meist ungeeignet, selbst vergleichsweise harmloses wie Aspirin kann zu schwerwiegenden Schädigungen führen. Auch manche Lebensmittel, mit denen der menschliche Organismus keinerlei Schwierigkeiten hat, können beim Hund zu Vergiftungen führen, beispielsweise die Schokolade durch das darin enthaltene Theobromin. Bei manchen Stoffen ist es schlicht auch die Menge, die den Unterschied zwischen ungefährlich und giftig festlegt.

Durch die Vielzahl der möglichen, eine Vergiftung auslösenden Stoffe ist es für den Laien im Notfall fast unmöglich gezielt zu helfen. Meist kann nur auf die auftretenden Symptome reagiert werden. Bei einigen Giften liegen allerdings zwischen Aufnahmezeitpunkt und Auftreten der ersten Symptome Stunden und sogar Tage.

Ihre erste Maßnahme sollte sein, den Hund an der Aufnahme weiteren Giftes zu hindern. Achten Sie dabei immer darauf, dass Sie sich nicht selbst in Gefahr begeben, also Dämpfe (Gase) einatmen oder Ihre eigene Haut (Ihre Hände schützen) in direkten Kontakt mit Laugen oder Säuren bringen. Schaffen Sie also einen Hund bei giftigen Gasen an die frische Luft und spülen Sie ätzende Substanzen mit Wasser vom Fell (ohne Rubbeln oder Reiben).

Sichern Sie etwas von der Substanz, mit der das Tier in Berührung kam (evt. Erbrochenes?) oder die Verpackung, Beipackzettel etc. und rufen Sie sobald als möglich Ihren Tierarzt oder eine Tierklinik an.

Konzentrieren Sie sich darauf, die Vitalfunktionen des Tieres (Puls, Atmung) aufrecht zu erhalten, Atemwege frei zu halten und den Transport zum Tierarzt zu bewältigen.

Symptome, die bei einer Vergiftung auftreten können:

- Starkes Speicheln

- Zittern, Schwäche, Kreislaufprobleme (Kollaps mit Bewusstlosigkeit), Krämpfe, Lähmungen

- Heftiges Erbrechen, Durchfall

- Atembeschwerden bis hin zur Atemnot

- Blut im Erbrochenen, im Stuhl oder im Urin, Blutungsneigung, Blutergüsse

- Veränderung der Pupillen, evt. Reizung der Augen- oder Mundschleimhaut

Die Erstversorgung in der Tierarzt-Praxis

Zunächst wird der Tierarzt sein Hauptaugenmerk auf die Vitalfunktionen des Hundes richten und alles Notwendige tun, um diese zu stabilisieren. Danach werden Maßnahmen getroffen werden, um eine weitere Aufnahme des Giftes in den Körper zu verhindern. Lassen die Symptome und die klinische Untersuchung auf ein bestimmtes Gift schließen, gegen das es ein Gegenmittel (Antidot) gibt, wird dieses eingesetzt werden. Leider stehen nicht für alle Gifte Gegenmittel zur Verfügung, so dass in diesen Fällen nur die Symptome behandelt werden können.

Mit welchen Maßnahmen eine weitere Giftaufnahme in den Körper verhindert wird, hängt von der Art der Giftaufnahme ab. Bei über den Magen aufgenommenen Stoffen können Brech- und Durchfallmittel, Magenspülungen, Einläufe, resorptionshemmende Mittel oder Stoffe, die das Gift an sich binden eingesetzt werden. Mit Infusionen kann dem Körper Flüssigkeit zugeführt werden, um Prozesse in Gang zu setzen, die zu dem führen, was vereinfacht Verdünnen und Ausschwemmen genannt werden kann.

Ob eine Behandlung zum Erfolg führt, hängt von vielen Faktoren ab, der Art des aufgenommenen Giftes, dem Zeitraum zwischen Giftaufnahme und einsetzender Behandlung, Schwere der Symptome, individueller Zustand des Tieres und vieles mehr.

Eine kurze Erklärung, warum Sie sich bei Verdacht auf eine Vergiftung so vergleichsweise passiv verhalten sollten: bei einem Hund Erbrechen auszulösen, ist nicht einfach, die Finger-in-den-Hals-Methode reicht nicht aus. Sie müssen dem Tier ein Brechmittel verabreichen, an dem es sich verschlucken könnte. Das nächste Verschlucken droht beim Erbrechen, zusätzlich kann Magensäure die Atemwege angreifen. War die verschluckte Substanz ätzend oder reizend, wird das Gewebe der Speiseröhre und die Maulschleimhäute beim Erbrechen ein zweites Mal damit in Kontakt gebracht. Wasser als Verdünnungsmittel ist vom Prinzip her nicht schlecht, wurde jedoch ein schäumendes Mittel verschluckt, könnte es zur Schaumbildung kommen, was die Atmung behindern könnte. Verzichten sollte man auch auf Versuche, die aufgenommene Substanz zu neutralisieren, ohne Kenntnis der aufgenommen Menge und der dafür erforderlichen Menge an Neutralisierendem kann das mehr Schaden als Nutzen anrichten.

Auf die Gabe von Milch oder öl sollten Sie ebenfalls verzichten, die Aufnahme mancher Giftstoffe wird dadurch beschleunigt.

Dies alles sind gute Gründe bei Verdacht auf eine Vergiftung sobald als möglich den Tierarzt telefonisch zu kontaktieren und das Tier so schnell wie möglich in die Praxis zu bringen.
http://www.polarhunde-nothilfe.com/Wiss ... n_gift.htm
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Michaela
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Re: Vergiftungserscheinungen beim Hund und Maßnahmen

Beitrag von Greyhound-Forum »

Katzen und Hunde knabbern gerne mal das ein oder andere Grünzeug an. Ob im Kampf gegen den bösen, grünen, schattenwerfenden Riesen oder weil sie es mit gewöhnlichem Gras verwechseln.

Der Elefantenfuß (Beaucarnea recurvata o. stricta) beispielsweise könnte mit seinen langen sich schlängelnden Blättern schnell mal für ein überdimensionales Grasbüschel gehalten werden. Er ist jedoch leider giftig. Dies gilt unter anderem auch für das allseits beliebte Alpenveilchen, die Birkenfeige, den Drachenbaum, die Yuccapalme, usw.

Einige Pflanzen sollte man also in einem Haushalt mit Tieren möglichst meiden oder unzugänglich aufstellen. Es gibt aber auch viele andere, die unbedenklich euer Zuhause verschönern können. Allerdings solltet ihr auch hier darauf achten, dass eure Vierbeiner nicht die ganze Pflanze kahl fressen. Jedes Tier ist unterschiedlich und es kann durchaus sein, dass gerade deine Katze/dein Hund auf eine bestimmte, eigentlich unbedenkliche Pflanze reagiert.

Doch nicht nur die Pflanze selbst kann zur Gefahr werden. Pflanzenschutzmittel oder auch Düngemittel im Gießwasser bergen ebenso ihre Gefahren. Unterteller mit überschüssigem Gießwasser laden, zu einem Schlückchen zwischendurch geradezu ein. Geschlossene Übertöpfe mit Kunststoffeinsätzen können hier Abhilfe schaffen, denn sie schützen die Pflanze vor dem Ertrinken und das überschüssige Wasser bleibt für eure Haustiere unerreichbar.

WIE ERKENNE ICH GIFTIGE PFLANZEN?
Giftig ist nicht gleich giftig und ungiftig nicht gleich ungiftig.

Wie das gemeint ist? Nun ja, was für den einen (Mensch) ungiftig ist, ist für den anderen (Hund/Katze) nicht auch ungiftig und umgekehrt. Ihr solltet also gut recherchieren, bevor ihr den über Generationen weitergegebenen, prunkvollen Geldbaum entsorgt. Der ist nämlich unbedenklich!

Das Thema ist sehr umfangreich, daher hier einige Fragen die ihr euch bei der Prüfung eurer Zimmer- und Gartenbepflanzung stellen solltet:


Enthält die Pflanze einen weißen oder farbigen Pflanzensaft (Milchsaft)?

Dieser kommt am häufigsten bei Wolfsmilch- (Euphorbiaceae), Maulbeer- (Moraceae) und Mohngewächsen (Papaveraceae) vor und ist oft toxisch. Die im Milchsaft enthaltenen Stoffe, wie z.B.: giftige Alkaloide, hautreizende Harze und organische Säuren können starke Reizungen an Haut und Schleimhäuten (z.B. Rachen, Augen, usw.) verursachen und auch zu Gewebszerstörungen führen. Des Weiteren können Durchfall und Erbrechen auftreten.

Häufige Zimmerpflanzen dieser Arten sind beispielsweise:
Gummibaum (Ficus elastica)
– Geigen-Feige (Ficus lyrata)
– Weihnachtsstern (Euphorbia pulcherrima)
– Birkenfeige (Ficus benjamina)
– Christusdorn (Euphorbia milii)
– Viele Sukkulente Arten

Duftet das Pflänzchen zu gut, um wahr zu sein?

Auch Katzen und Hunde lassen sich gerne von wohlriechenden Blüten anziehen. Einige Duftpflanzen enthalten jedoch ebenfalls giftige Alkaloide. Hierbei am häufigsten benannt die Pyrrolizidinalkaloide, von denen etwa die Hälfte eine leberschädigende Wirkung haben. Die beliebtesten Vertreter in unseren Wohnzimmern und auf unseren Balkonen sind:

– Orchideen (Orchidaceae)
– Vanilleblume (Heliotropium arborescens)
Enthält sie Ätherische Öle?

Das wohl häufigste Vorkommen an Ätherischen Ölen findet man in Kräutern, jedoch nicht alle Kräuter sind böse. Besonders Katzen haben hier das Nachsehen, denn sie haben eine so genannte Glucoronidierungsschwäche. Das bedeutet, dass die Katze ätherische Öle nur in begrenzten Mengen tolerieren kann, ohne das der Körper unnötig belastet wird.

Kräuter wie zum Beispiel:

– Kaschmirkatzenminze (Nepeta nervosa) – Currykraut (Helichrysum italicum)
– Katzenminze (Nepeta cataria) – Echter Baldrian (Valeriana officinalis)
– Lavendel (versch. Sorten) – Melisse (versch. Sorten)
– Katzengamander (Teucrium marum)
sind glücklicherweise kein Problem für unsere Stubentiger.


Zwiebel- oder Knollengewächs?

Sie enthalten unter anderem N-Propyldisulfid und Natrium-Propyl-Thiosulfat (Zwiebel) sowie Calciumoxalat, Oxalsäure, Leucoanthocyane und Cucurbitacin (Knollengewächs, Bsp.: Knollenbegonie). Durchfall, Erbrechen, Schädigung der Nieren, Tachykardie, erhöhte Atemfrequenz, Blut im Urin, usw. sind einige der üblen Probleme, welche die Aufnahme von z. B.:

– Knollenbegonie (Begonia x tuberhybrida Voss) – Maiglöckchen (Convallaria majalis)
– Hyazinthe (Hyacinthus officinalis) – Krokus (Crocus)
– Prachtlilie (Lilium speciosum) – Tulpen (Tulipa)
– Narzissen (Narcissus)
verursachen können. Die herkömmliche Speisezwiebel oder auch Knoblauch müssen allerdings schon in erheblichen Mengen, regelmäßig gefüttert werden, um Probleme zu verursachen.

Bei der Fütterung von Knoblauch (ganzer Knoblauch), liegt die toxische Menge bei 5g/kg Körpergewicht/Tag und dies über einen längeren Zeitraum.

Zum Vergleich: Ein Hund mit 35kg müsste also pro Tag min. 175gr. Knoblauch zu sich nehmen, um eine Vergiftung zu erleiden. Bei einem Gewicht von ca. 3gr./ Knoblauchzehe wären das ca. 58 Knoblauchzehen pro Tag!

Trifft einer der genannten Punkte zu, solltet ihr das Gewächs aus der Reichweite eures Haustiers oder gar aus dem Haushalt entfernen, bis ihr sorgfältig geprüft habt, ob es sich wirklich um eine giftige Pflanze handelt.



GRÜNZEUG VERBOTEN!?

Zum Glück nicht! Es gibt einige schöne Alternativen, die ihr ohne Probleme aufstellen könnt oder mit denen ihr z.B. eurem Stubentiger eine Freude machen könnt. Man sollte jedoch zwischen „unbedenklicher Zimmerpflanze“ und „Futterpflanze“ unterscheiden.

Unbedenkliche Zimmerpflanzen sind z.B.:

– Kokospalme (Cocos nucifera) – Mühlenbeckie (Muehlenbeckia complexa)
– Wollziest (Stachys byzantina) – Zimmerbambus (Pogonatherum paniceum)
– Stiefmütterchen und Hornveilchen – Grünlilie (Chlorophytum comosum)
– Frauenhaarfarn (Adiantum capillus-veneris)

Als gezielte Futterpflanze kann Katzengras gerne ganzjährig angeboten werden. Testet hier mal verschiedene Sorten, nicht jede Katze mag jedes Gras und auch Hunde haben meist eine Lieblingssorte, die sie sich gezielt aussuchen. Stubentiger freuen sich besonders über eine eigens für sie angelegte Liege- und Knabberwiese!

WIE ERKENNE ICH EINE MÖGLICHE VERGIFTUNG?

Anzeichen wie Erbrechen, Durchfall, Benommenheit, Speicheln und Hecheln können eine mögliche Vergiftung anzeigen. In jedem Fall gilt es sofort einen Tierarzt aufzusuchen, je schneller desto besser.

FAZIT
Man muss also nicht auf einen herrlich duftenden und üppig bepflanzten Garten/Balkon oder eine Grüne Oase in den eigenen vier Wänden verzichten, wenn man ein paar Dinge beachtet.

Und wie Paracelsus schon sagte:

„Alle Ding’ sind Gift und nichts ohn’ Gift – allein die Dosis macht, das ein Ding’ kein Gift ist.“

In diesem Sinne: Frohes Pflanzen! :-)

Liebe Grüße,

Nadine

http://www.the-social-vetwork.de/giftige-pflanzen/
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Vergiftung: Die häufigste Fehldiagnose der Tiermedizin

Beitrag von Greyhound-Forum »

Von Ralph Rückert, Tierarzt
Neulich in einer Facebook-Gruppe: "Waren gestern beim Tierarzt. Tobi war plötzlich ganz seltsam apathisch, hat sich übergeben und gezittert, ganz schnell geatmet. Der Tierarzt hat gesagt, dass es wahrscheinlich Rattengift war und hat ihm mehrere Spritzen gegeben. Heute geht es ihm Gott sei Dank wieder gut." Rattengift? Also ein Cumarinderivat, ein Gerinnungshemmer? Diagnostiziert so ganz ohne den Nachweis von Blutungen und ohne Gerinnungstest??? Nö, ganz sicher nicht, zumindest nicht, wenn es dem Hund nach einmaliger Behandlung wieder ganz prima geht. Bei einer Cumarinvergiftung muss man nämlich über einige Tage behandeln, um den Patienten zu retten. Also: Fehldiagnose! Dass es dem Patienten besser geht, ist allein seinen Selbstheilungskräften und/oder der zufälligen Anwendung des richtigen Medikaments zu verdanken.
Bild zur Neuigkeit
Fragt man die Pathologen, sagen sie recht übereinstimmend, dass über 95 Prozent der Tiere, die von Tierärzten mit der entsprechenden Verdachtsdiagnose zur Untersuchung eingeschickt werden, nicht an einer Vergiftung gestorben sind. Das würde bedeuten, dass wir es hierbei mit der häufigsten Fehldiagnose der Tiermedizin zu tun haben.

Woran liegt das? Zum einen herrscht heutzutage - nicht zuletzt aufgrund der Vernetzung der Tierhalter über die sozialen Medien - eine ausgewachsene Giftköderhysterie. Man kann bei ausreichend langer Verweildauer auf Facebook tatsächlich das Gefühl bekommen, dass man vor lauter Giftködern gar nicht mehr angstfrei mit seinem Hund spazieren gehen kann. Als Tierarzt, der schon seit dreißig Jahren im Geschäft ist, habe ich aber im Gegensatz dazu den klaren Eindruck, dass es heute deutlich weniger Vergiftungsfälle gibt als früher. Das würde auch mit der Tatsache zusammen passen, dass es inzwischen deutlich schwieriger ist, auf legalem Weg an effektive Gifte heran zu kommen, als noch vor 25 Jahren.

Dessen ungeachtet kann es sich kein Tierarzt leisten, NICHT in diese Richtung zu denken, wenn der Tierhalter - und sei es auch noch so vage - die Möglichkeit der Aufnahme einer unbekannten Substanz in den Raum stellt. Und dann ist es nicht mehr weit zum Tunnelblick, zum Scheuklappendenken, das jede andere Erklärungsmöglichkeit für das schlechte Befinden des Patienten zu seinem eventuellen Schaden außer Acht lässt.

Das an sich ist - wenn auch irgendwie nachvollziehbar - schon bedenklich genug. Dazu gesellt sich aber leider auch noch eine gewisse Attraktivität der Diagnose "Vergiftung" für uns Tierärzte. Es gibt eine Unzahl von Krankheiten, die einen sogenannten perakuten Verlauf nehmen und damit das Befinden des Tieres innerhalb kürzester Zeit drastisch verschlechtern können. Bei sehr vielen dieser Erkrankungen steht man als Tierarzt vor dem Kunden und vor sich selbst in der Pflicht, die Sache schleunigst in den Griff zu bekommen. Nicht so bei einer Vergiftung: Ist der Vergiftungsverdacht erst mal geäußert, ist man als Tierarzt irgendwie fein raus. Macht man - wegen der zugrunde liegenden Fehldiagnose natürlich rein zufällig - irgendetwas richtig und bekommt der Patient die Kurve, ist man der unbestrittene Held, der das Tier gerettet hat. Geht es aber schief, trifft einen keine Schuld, dann konnte man halt nichts mehr machen. War ja schließlich Gift, und schuld ist damit von vornherein der Drecksack von Giftköderleger.

Steht man also vor einem gewissen Krankheitsbild wie der Ochs vor dem Berg, mag es durchaus vorteilhaft sein, sich mit der wohlfeilen Diagnose "Vergiftung" elegant aus der Affäre zu ziehen. Diese ungute Gemengelage führt zu der nur auf den ersten Blick paradox wirkenden Situation, dass Insider mit einer gewissen Berechtigung dazu neigen, die Anzahl von Vergiftungsdiagnosen aus einer bestimmten Praxis als umgekehrt proportional zur dortigen fachlichen Kompetenz zu betrachten.

Als Beispiel für ein extremes Krankheitsbild, das mit Sicherheit gern und mit verhängnisvollen Folgen als Vergiftung eingestuft wird, sei die - zwar seltene, aber in ihrer Häufigkeit eventuell auch unterschätzte - Addison-Krise genannt. Diese Patienten werden meist in einem bestürzend schlechten Zustand vorgestellt, haben Bauchweh, zittern, sind entkräftet, zeigen Untertemperatur, Schocksymptome, Erbrechen und oft blutigen Durchfall. Wenn man bei diesem Bild jetzt auf den Trichter kommt, es mit einer Vergiftung zu tun zu haben, wird das den Patienten fast mit Sicherheit das Leben kosten. Nur die Vermeidung des oben erwähnten Tunnelblicks und eine ebenso hartnäckig-gründliche wie ergebnisoffene Diagnostik kann einen da auf die richtige Spur und damit zur korrekten Therapie bringen.

Halten Sie uns deshalb bitte nicht für ignorant, wenn wir nicht gleich auf jeden Vergiftungsverdacht anspringen, selbst wenn Sie beobachtet haben sollten, dass Ihr Hund beim Spaziergang irgendwas gefressen hat und es ihm jetzt plötzlich so schlecht geht. Wir wollen nur nicht zum Nachteil Ihres Tieres in die Vergiftungs-Falle treten und dabei eventuell übersehen, was ihm wirklich fehlt.

Bleiben Sie uns gewogen, bis bald, Ihr

Ralph Rückert
http://www.tierarzt-rueckert.de/
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Michaela
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