Demenz bei Tieren

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Demenz bei Tieren

Beitrag von Greyhound-Forum »

DEMENZ BEI HUND UND KATZE:
DAS „KOGNITIVE DYSFUNKITIONSSYNDROM“

Wer schon mal sein Leben mit einem Tiersenioren teilen durfte, der weiß: Das Alter hat so einige Überraschungen für uns bereit. Nicht immer sind diese so pastellfarben-verklärt, wie wir uns das vielleicht wünschen: Lieben und betüddeln und verträumt die weißen Stichelhaare auf dem Schnäuzchen zählen. Das Älterwerden, das müssen wir uns bewusst machen, ist ein fortschreitender Prozess des körperlichen und geistigen Abbaus, der uns emotional und auch organisatorisch vor so manche Herausforderung stellen wird.

Der hochentwickelten Veterinärmedizin und unserem modernen Verständnis von unserem Haustier als einem vierbeinigen Lebensgefährten ist es zu verdanken, dass Hund und Katze viel älter werden als noch vor einigen Jahren. Das bedeutet jedoch auch, dass wir uns als Tierhalter mit allen Wehwehchen und Gebrechen auseinandersetzen müssen, die unser Senior mit der Zeit entwickelt: Mit nachlassender Verdauungsleistung und zunehmender Stoffwechselschwäche, mit Schmerzen und Verschleiß im Bewegungsapparat und vielem mehr.

Inzwischen weiß man, dass auch unsere Haustiere an Demenz erkranken können – veterinärmedizinisch sprechen wir hier vom kognitiven Dysfunktionssyndrom. Dieser Begriff umfasst eine Vielzahl von Verhaltensweisen, die unser Tier aufgrund einer nachlassenden Gehirn- und Gedächtnisleistung an den Tag legen kann.

Welche Symptome bei einer Demenz auftreten können, welche Lebensbereiche davon betroffen sein können und wie ihr eurem Tier durch den Alltag helfen könnt, wollen wir heute ansprechen.

Zunächst einmal jedoch ein paar Takte dazu, was Demenz NICHT ist.

„Demenz“ darf kein Freifahrtschein dafür sein, jeder Verhaltensänderung, jeder Auffälligkeit und jeder Unannehmlichkeit den Stempel „Ja mei, er / sie ist halt schon alt und tüddelig“ aufzudrücken und den Fall unbesehen ad acta zu legen. Machen wir uns bewusst: Es liegt in unserer Verantwortung, mit Hilfe eines erfahrenen Therapeuten auf Ursachenforschung zu gehen, wenn sich unser Tier apathisch, unsauber oder aggressiv zeigt und es wenn nötig behandeln zu lassen.

SYMPTOME DER KOGNITIVEN DYSFUNKTION
Die Krankheitszeichen einer Demenz entwickeln sich meist schleichend und unbemerkt. Mit einem Mal stellen wir jedoch fest, dass alles anders ist als zuvor. Zur Entwicklung der Symptome kommt es, weil das Gehirn unseres Hundes oder unserer Katze strukturell nicht mehr so gut durchblutet ist und Nervenfunktionen sowie Stoffwechselprozesse nicht mehr so ungehindert ablaufen wie in jungen Jahren.

Unser Tier wirkt womöglich abgeschlagen und zurückgezogen, es kann nur schwer zum Gassigang oder zum Spielen animiert werden. Es schläft viel oder träumt vor sich hin. Ist die Bewegungsfreude deutlich eingeschränkt, müssen wir an die klassischen Verschleißerkrankungen im alten Bewegungsapparat denken wie beispielsweise die Arthrose.

AUF EINMAL: IRGENDWIE SPOOKY
Vielleicht fällt uns auf, dass unser Tier verstärkt unsere Nähe sucht, sehr intensiv auf uns achtet oder uns auf Schritt uns Tritt verfolgt. Dies kann durch eine nachlassende Sinnesleistung verursacht werden: Viele Tiere hören und sehen im Alter schlecht und orientieren sich sehr stark an uns, um Halt und Sicherheit zu bekommen. (Hier bitte auch Blutdruck sowie Herz-Kreislauf-Situation des Patienten überprüfen lassen) An einer kognitiven Dysfunktion leidende Tiere werden den Therapeuten häufig als verwirrt und desorientiert vorgestellt. Sie wirken vergesslich, stehen manchmal mitten im Raum und bellen oder maunzen laut, manchmal „singen“ sie oder „sprechen“ – wie ich es bezeichne – „mit den Geistern“. Katzen verirren sich mitunter in Zimmerecken, Hunde scheinen ihre alten Spazierwege nicht mehr zu erkennen oder zeigen sich verdutzt über Kommandos, die sie noch vor kurzem aus dem FF beherrscht haben.

AUF EINMAL: MÄKELIGER FRESSER
Viele Tiere zeigen ein verändertes Fressverhalten: Am liebsten möchten Sie nur noch „Junkfood“ serviert bekommen oder ernähren sich überwiegend von Leckerli oder Kaustangen. Sie betteln am Tisch oder mopsen sich unser Salamibrot. Das kann damit zusammenhängen, dass ältere Tier nach und nach ihren Geschmackssinn einbüßen (der bei Katzen ohnehin nicht sonderlich stark ausgeprägt ist) und deshalb insbesondere auf intensive Aromen reagieren, wie sie nun mal im Convenience-Futter zu finden sind.

AUF EINMAL: STUR WIE EIN BOCK
Wenn die Gehirnleistung nachlässt, so bedeutet das für unser Tier den Verlust von Sicherheit und Ordnung – und darauf reagiert jedes Tier anders. Manche entwickeln einen charmanten Altersstarrsinn, der sie dazu verleitet, nur noch eine einzige Futtersorte zu fressen, nur noch altbekannte Wege zu gehen, strikte Rituale einzufordern. Manche zeigen sich ängstlich und reagieren überempfindlich auf Neuerungen, andere Möbel beispielsweise oder ein anderes Wasch- und Putzmittel. Für diese Tiere kann der Besitzer zum Dreh- und Angelpunkt des Weltgeschehens werden, was uns zunächst rühren mag, jedoch auch eine völlige Neuordnung unseres Tagesablaufes mit sich bringen kann, beispielsweise weil unser Tier nicht mehr alleine bleiben kann.

AUF EINMAL: MIT VORSICHT ZU GENIESSEN
Im Rudelgefüge oder auch im Kontakt mit fremden Menschen kann das an Demenz erkrankte Tier eine ausgeprägte Unsicherheit entwickeln, die mitunter auch in Aggressivität umschlägt. Wir sollten hier versuchen, das Tier bestmöglich zu schützen und abzuschirmen, mitunter auch räumlich zu trennen und ihm so eine sichere Umgebung zu schaffen.

AUF EINMAL: EIN BUCH MIT SIEBEN SIEGELN
Dass das Tier unsauber wird, kann im Alter durchaus vorkommen – hier dürfen wir jedoch nicht zu schnell die Verdachtsdiagnose „Demenz“ in den Raum stellen, sondern sollten sauber und fundiert körperliche Erkrankungen in Erwägung ziehen, die ebenfalls eine Unsauberkeit von Kot und Urin verursachen können. Dazu zählen Erkrankungen der Niere und der ableitenden Harnwege wie chronische Niereninsuffizienz, Steinleiden (Urolithiasis) und Blasenentzündungen, aber auch metabolische Erkrankungen (Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes mellitus, Morbus Cushing u.v.m.).

WAS TUN?
Demenz ist eine unheilbare Erkrankung, die gewissen Tagesschwankungen unterworfen sein kann und manchmal auch in Schüben voranschreitet. Durch therapeutische Maßnahmen kann die Erkrankung jedoch in ihrem Fortschreiten verlangsamt und das Tier unterstützt werden. Hilfreich sind unter anderem durchblutungsfördernde Mittel, die ich in der Praxis gerne mit Zellstoffwechselpräparaten kombiniere. Die Zufütterung von Antioxidantien und ungesättigte Fettsäuren sind eine Wohltat für den Zellstoffwechsel sowie für die Gesundheit des Gesamtorganismus.

Im Haltungsmanagement empfehle ich feste Strukturen und Rituale, die dem Tiersenioren Rückhalt und Sicherheit geben. Vielen Tieren hilft ein geschützter Raum, wie beispielsweise eine spezielles Seniorenzimmer oder bei kleineren Hunden ein gepolsterter Welpenlaufstall, in den sie sich zurückziehen können, wenn die Eindrücke zu übermächtig werden. Denk- und Suchspiele für den Hund können helfen, die „grauen Zellen“ aktiv zu halten – Katzen freuen sich unter anderem über Fummelbretter.

ERZÄHLT EURE GESCHICHTE!
Was habt ihr mit euren Tiersenioren erlebt?
Welche Tipps könnt ihr betroffenen Tierhalter zum Umgang mit Alter und Demenz geben?
Und: Welche Themen interessieren euch im Bezug auf alte Tiere? Welchen Beitrag möchtet ihr lesen?

Einen schönen Abend und alles Liebe,
eure Franzisca

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Nur wer einmal seinen Windhund jagen gesehen hat, der weiß, was er an der Leine hat!
Michaela
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