Der Epilepsie Albtraum

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Der Epilepsie Albtraum

Beitrag von Greyhound-Forum »

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Ganz furchtbar. Wer schon mal einen Epi Hund hatte, weil, welche extreme Belastung dies für Mensch und Tier ist.
Leider findet man Epilepsie auch bei Greyhounds und auch bei Galgos!
Fast vier Monate ist es nun her, dass ich mein Mädchen hab über die Regenbogenbrücke gehen lassen. Ich möchte gerne unsere Geschichte erzählen. Eine Geschichte über das Leben mit einem epilepsiekranken Hund. Eine Geschichte über einen Kampf – auch ein Kampf mit Menschen, denen das Wohl der Rasse doch so am Herzen liegen sollte. In einer Welt, in der aber scheinbar doch nur Geld und Egoismus zählen.
Meine Flatcoated Retriever Hündin Kayleigh wurde am 22.02.2009 geboren. Mit 8 Wochen kam die süße Maus von einer Züchterin, die, wie mir schien, eine gute Aufzucht betrieb, nicht übermäßig viele Würfe hatte und im Deutschen Retriever Club (DRC) züchtete. Die Eltern schienen gut gewählt. Die Mutterhündin lebte bei der Züchterin und gefiel mir sehr gut. Der Vater kam von einer Züchterin, zu der meine Züchterin scheinbar einen sehr guten Draht hatte, zumal ihre Hunde aus deren Zucht stammten und sie auch die neuen Welpenleute direkt unterweisen durfte.
Als Kayleigh das erste Mal mit 8 Wochen unser großes Wohnzimmer betrat und ich die Terrassentür schloss, staunte ich nicht schlecht, denn wir hatten unser erstes Problem: der Welpe hatte Panikattacken in geschlossenen Räumen. Sie stürmte mit dem Kopf voran vor die Glastür, versuchte immer wieder diese zu durchbrechen. An geschlossene Türen, geschweige denn Boxen, war nicht zu denken. Der Hund schrie wie am Spieß, die Pupillen weiteten sich und an Beruhigung war nicht zu denken. Sie hielt das stundenlang durch. Logischerweise war so kein Boxentraining, Autofahren oder eine geschlossene Tür möglich.
Ein langwieriges, schrittweises Training begann. Später fand ich heraus, dass Kayleigh nicht die einzige Hündin im Wurf war, die dieses Problem in geschlossenen Räumen hatte. Man weiß heutzutage übrigens: Ursachen der Klaustrophobie können erblich bedingt sein.
Einige Wochen später begann der Welpe sich zu kratzen. Sie wurde im ersten Jahr fast komplett kahl, da sie alles an Fell verlor. Mit etwas über einem Jahr diagnostizierten wir eine Allergie auf Hausstaubmilben und Vorratsmilben. Auch hier wissen wir heutzutage: erbliche Komponenten können eine Rolle spielen.
Bis dahin war ich noch der festen Überzeugung, dass ein spezieller Frühimpfstoff seinen Teil zu dem Problem beigetragen hat. Hat er vielleicht auch. Nachweise sind schwer bis gar nicht möglich. Wahrscheinlich ist alles wie ein großes Puzzle, dass irgendwann komplett ist. Da der Hund extrem verhaltensauffällig war, und das schon in den Welpenspielen, wurde im Alter von 2 Jahren endlich eine Schilddrüsenunterfunktion (SDU) festgestellt. Von da an bekam sie Schilddrüsenhormone und das Verhalten besserte sich deutlich. Eine SDU ist bei den Flats keine Seltenheit und wer hätte das gedacht: Auch eine erbliche Komponente. Ein Hund mit zwei Jahren, der an Allergien und Schilddrüsenunterfunktion litt. Natürlich berichtete ich all das der Züchterin. Bis auf ein paar Haare, die ich einer Heilpraktikerin zum „auspendeln“ schicken sollte, geschah da aber nicht viel. Diese sagte mir, der Hund habe übermäßigen Hefepilzbefall. Aha, das wussten wir schon Wochen vorher, denn der Hund war ja aufgrund dessen fast komplett kahl. Naja, der gute Wille zählte. Als ich aber von der Schilddrüsenunterfunktion berichtete, wurde mir schnell klar, dass nicht wirklich Interesse bestand.
Das eigentliche Dilemma begann am 09.01.2014. Kayleigh fiel nachts vom Bett und krampfte. Ich hatte mich noch nie mit Epilepsie bei Hunden beschäftigt. Jeder, der einen epilepsiekranken Hund hat, weiß wahrscheinlich noch genau, wie der erste Anfall war. Wie hilflos man daneben steht. Kayleigh hatte einen sog. „Grand Mal Anfall“. Der Hund rudert, krampft, streckt die Gliedmaßen von sich, schlägt mit den Zähnen aufeinander, ggf. völliger Verlust über Blase und Darm. Der Hund ist dabei bewusstlos, das ganze Gehirn ist betroffen. Sekunden kommen einem vor wie Stunden. Man steht beim ersten Mal hilflos daneben, weiß nicht was geschieht. Evtl. ist man noch so geistesgegenwärtig und denkt sich, dass es keine gute Idee ist, Richtung Maul zu fassen. In unserem Fall stand in erster Linie auch das Separieren der anderen Hunde, die hier leben.
Als Kayleigh wieder zu sich kam, erkannte sie mich nicht. Sie sah noch nicht wieder richtig. Nach wenigen Minuten kam dies aber wieder und außer etwas wackeligen Beinen war sie einigermaßen schnell wieder fit.
An dieser Stelle möchte ich einmal erwähnen, dass es Hunde gibt, die ihre Besitzer ebenfalls nach einem Anfall nicht erkennen. Es gibt einige, die danach aggressiv werden und die man zunächst separieren muss.
Ein Anfall ist kein Anfall, sagt man. Im März und April folgten leider bei meiner Hündin die nächsten Anfälle. Allerdings hatten wir von da an eine Besonderheit: Kayleigh krampfte nur in Hundebegegnungen. Immer, wenn sie einen Hund traf, mit diesem zusammenkam oder auch nur vor ihm stand, fiel sie in einen Grand Mal Anfall. Sie war bewusstlos und krampfte.
Wir besuchten also einen Neurologen in einer Klinik. Der kam am Ende der Untersuchungen zu dem Ergebnis, dass es sich hier sehr wahrscheinlich um eine primäre Epilepsie handele. Um Epilepsie zu diagnostizieren ist eine Ausschlussdiagnostik nötig. Es gibt keinen Bluttest „xy“, der einem verrät: der Hund hat Epilepsie. Was wir bei dieser Untersuchung nicht machten, waren MRT und Gehirnwasseruntersuchung (Liquor). Nach Absprache mit dem Neurologen meinte dieser, dass es doch sehr unwahrscheinlich sei, dass der Hund einen Tumor oder eine Entzündung im Gehirn habe. Oftmals hat man gerade bei einem Tumor schnell auch im Alltag Verhaltensänderungen. Im Laufe der folgenden Monate besprach ich mich übrigens noch mit 3-4 weiteren Tierärzten, alle meinten ein MRT sei nicht angebracht. Nach den vorliegenden Berichten sei ein Tumor ziemlich unwahrscheinlich. Man darf ebenso nicht vergessen, dass eine Vollnarkose bei einem Epileptiker ein sehr großes Risiko bedeutet, da die Hunde bei Einleiten der Narkose ggf. krampfen.
Nun wusste ich ja, dass der Hund eine SDU hatte, die zwar eingestellt ist, aber man klammert sich an jeden Strohhalm. Es gibt durchaus Fälle, in denen ein Hund aufgrund der Schilddrüse krampft. Also fasste ich nochmal ins Auge, mich mit meiner Schilddrüsen-Spezialistin abzusprechen und die Dosierung nochmal nach oben anzupassen, um evtl. eine Besserung zu erzielen.
Natürlich hatte ich zu diesem Zeitpunkt bereits die Züchterin informiert. Diese wollte aber gerne mit der Schwester von Kayleigh züchten. Ich bat sie darum, damit doch noch zu warten, bis wir endgültig sicher wären und auch die Schilddrüse als Verursacher ausgeschlossen hätten. Ich möchte hier einmal betonen, dass ich zu KEINER Zeit der Züchterin einen Vorwurf gemacht habe. Wir stecken manchmal nicht drin, was beim Züchten passiert. Sehr wohl stecken wir aber mit drin, ob wir mit Hunden, die krank sind, weiterzüchten. Bei der Epilepsie ist der Erbgang noch nicht vollends geklärt. Man ist sich aber einig, dass Eltern und Geschwister aus der Zucht genommen werden sollten.
Natürlich hatte ich mich ebenfalls in diversen Epilepsiegruppen angemeldet und dort wertvolle Hilfe und Hinweise bekommen. Was Facebook-Gruppen ja so an sich haben, ist die Tatsache, dass jeder ihnen beitreten kann. Nun war unter diesen Menschen wohl auch die Deckrüdenzüchterin. Von dieser erhielt ich einen Anruf. Niemals hätte ich bis dahin gedacht, wie abgrundtief schäbig die Machenschaften der Zucht sein können. Dieser Tag veränderte alles. Ich wurde belehrt, dass ich den Hund ja von Anfang an krank gemacht hätte (Ja sicher, ein Hund mit Allergie, SDU und Epilepsie habe ich mir schon immer gewünscht…). Ich solle gefälligst meine Posts aus dem Netz nehmen, das würde ihre Zucht schädigen und ihr würden Welpenleute abspringen. Als ich erwähnte, dass es für Untersuchungen zur Epilepsie ja im DRC den Epilepsie Fond gäbe, hieß es, mir würde es ja also nur um´s Geld gehen. Ich wiederholte, dass ich immer noch die „Hoffnung“ hätte, dass wir noch die Schilddrüse als Verursacher haben und ich niemandem einen Vorwurf machen würde, dass wir nur entsprechend handeln müssten und natürlich nicht mit der Schwester weiter gezüchtet werden sollte.
Das Gespräch endete damit, dass mir mit einem Anwalt gedroht wurde.
Es war unglaublich, ich war entsetzt. Natürlich dachte ich nicht im Traum daran, irgendetwas aus dem Netz zu nehmen, denn ich hatte die Diagnose schriftlich vor mir liegen.
Über die Jahre habe ich viele Storys von Menschen mit Epilepsie Hunden gehört. Viele, viele traurige Geschichten. Da werden Morddrohungen ausgesprochen, Menschen ziehen um, weil sie bedroht werden, sie werden bedroht, weil sie ihre Geschichte öffentlich machen. Züchter, die bewusst mit Hunden züchten, die Epilepsie vererben oder mit naher Verwandtschaft weiterzüchten. Was in diesem Bereich unter den Teppich gekehrt wird, ist unfassbar. Wer sich einmal in diesen Abgrund begibt, kommt aus dem Kopfschütteln nicht mehr heraus. Was an Leid hinter dieser Krankheit steckt, ahnt niemand, der noch nicht damit zu tun hatte.
Bei Kayleigh steckte „leider“ nicht die Schilddrüse hinter den Anfällen. In der ersten Zeit hatten wir noch Glück. Dadurch, dass die Anfälle nur in Hundebegegnungen auftraten, mussten wir sie nicht auf Medikamente einstellen und konnten vieles managen.
Aber diese Krankheit verändert sich und so wurden auch die Anfälle im Laufe der Jahre schlimmer. Irgendwann krampfte sie auch aus der Ruhe heraus, die Anfälle an sich wurden schlimmer. Sie schlug immer heftiger mit dem Kopf zu Boden, so dass ich schnell schauen musste, etwas zum Polstern des Kopfes zu besorgen, wenn es soweit war. Mit der Anfallshäufigkeit hatten wir nach wie vor Glück. Alle 3-4 Monate war es soweit.
Ich kenne mittlerweile Hundemenschen, die alle paar Tage mit Anfällen ihrer Hunde zu kämpfen haben. Leider nicht selten auch mit sog. Clusteranfällen, Serienanfällen. Der Hund krampft alle paar Stunden/Minuten, mehrmals.
Ach, übrigens, von der Züchterin habe ich nie wieder etwas gehört. Sie hat mit Kayleighs Schwester einen Wurf gemacht.
Ich setzte mich natürlich mit dem DRC in Verbindung. Ich bekam einen Anruf mit dem Hinweis, dass ich für einen Eintrag in die Datenbank und die Unterstützung aus dem Epilepsie Fond das Prozedere durchlaufen müsse, das auf der DRC Seite hinterlegt ist. Sprich, einen speziellen Neurologen aufsuchen, alle Untersuchungen inkl. MRT und Liquor, machen, die schriftliche Diagnose an den DRC senden etc. Der Neurologe, den ich aufgesucht hatte, reichte nicht. Ist für mich auch nachvollziehbar, dass man spezialisierte Ärzte haben möchte. Ich bekam dann noch die Aussage, dass bei den Flats ja keine Epilepsie bekannt sei. Und ob man noch zwischen der Züchterin und mir vermitteln könne? Sorry, da konnte ich mir einen Lacher nicht verkneifen. Ich werde von der Freundin der Züchterin mit dem Anwalt bedroht, die Züchterin züchtet fleißig mit der Schwester weiter und ignoriert mich - wie soll da noch gleich die Vermittlung aussehen? Nein, danke, kein Bedarf.
Wie ich erwähnte, verschlimmerten sich die Anfälle. Kayleigh bekam Serien, sie krampfte dann alle 4-6 Stunden. Nach den Anfällen stand sie völlig neben sich. Sie hatte meistens 45 Minuten lang Drangwandern. Da sie nichts sah, lief sie dabei vor Schränke, Wände und Türen. Sie hatte extremen Hunger, man musste aufpassen, dass sie nicht die Finger anknabberte. Sie sprang vor Hunger auf die Tische, öffnete Schränke und war wie von Sinnen. Dank einer lieben Facebook Bekanntschaft, die sich richtig gut auskannte und einer Idee ihrerseits, konnte ich mit meiner Ärztin ein Medikament besprechen, mit der wir sie aus den Serien herausbekamen. Ein weiteres Problem mit diesen Hunden: Finde erst einmal einen Tierarzt, der sich damit auskennt…
Ich fuhr nach Hannover, denn dort war eine Spezialistin, die der DRC auf seiner Liste hatte. Dort wiederholten wir alle Untersuchungen, die ich schon gemacht hatte, führten aber noch weitere durch. Röntgen, Ultraschall, Blutuntersuchungen, … Alle ohne Ergebnis, keine erkennbare Ursache für die Epilepsie. Das Einzige, was wir nicht machten, war ein MRT und eine Liquoruntersuchung. Ich hätte den Hund für einen Papierwisch für den DRC in Narkose legen müssen, nur, damit ich einen Eintrag in die Datenbank bekam und mir so endlich Gehör verschafft wurde? Nein. Nicht auf Kosten meines Hundes. Der trug ein enorm hohes Narkoserisiko.
Die Anfälle wurden schlimmer. Insofern, dass sie nicht mehr herauskam. Die Häufigkeit hatte sich nicht wesentlich geändert, aber ich musste nun Diazepam geben, um den Hund aus dem Anfall zu bekommen. Danach kam vor dem gewohnten Drangwandern nun immer eine halbe Stunde schreckliche Lautäußerungen. Sie heulte wie ein Wolf. In einer Tour. Eine halbe Stunde lang. Meist Nachts. Danach 45 Min Drangwandern. Hunger. Evtl nach wenigen Stunden der nächste Anfall.
Im Juni 2018, nach über vier Jahren mit dieser Krankheit, bekam ich sie nicht mehr aus einer Serie, teilweise auch nicht aus den Anfällen an sich. Diazepam wirkte nicht mehr. Nach 6 Anfällen und keiner Verbesserung unter Medikamenten, fuhren wir in die Klinik. Dort auf dem Tisch der nächste Anfall. Also wurde gemacht, was man dann macht: Der Hund wird mindestens 48 Stunden in Narkose gelegt, er wird quasi „resettet“. Man hofft, das Gehirn so zur Ruhe zu bekommen und den Hund ohne Anfall wieder wach zu bekommen. Ich wusste immer: Wird der Hund nicht ohne Anfall wach, war´s das.
Nun lag mein Hund ohnehin in Narkose und ich gab das ok zur MRT und Liquoruntersuchung.
Die Klinik bestätigte mir eine primäre Epilepsie, doch halt, dies war natürlich nicht die Spezialistin, die der DRC wollte, deshalb mussten die Unterlagen nach Hannover.
Währenddessen tat sich mein Hund schwer mit dem Aufwachen. Sie kam fast nicht zu sich, wir hatten große Bedenken, dass sie es schafft. Als ich mich entschied, sie zu mir nach Hause zu holen, stand sie plötzlich da und begrüßte mich.
Viele Tage intensive Pflege zuhause standen an.
Dann die schockierende Nachricht aus Hannover: Man könne mir Epilepsie nicht schriftlich bestätigen, weil im MRT auf einer Nasenseite ein Schnupfen gefunden wurde und die kernhaltigen Zellen erhöht seien (mit dem Hinweis, dass dies relativ normal bei Serienanfällen sei und nicht unbedingt etwas zu sagen hätte). Es könne ja eine geringe Chance geben, dass doch eine Entzündung vorliege. Ich müsse dem Hund eine Antibiose geben, das MRT und Liquor wiederholen und dann müsse er unter gesundem Liquor krampfen. Ja, nee, ist klar, man gönnt sich ja sonst nichts. Schnupfen?! Ernsthaft? Der Hund hat seit Jahren Anfälle, anfangs nur in Hundebegegnungen und nur da hat er Schnupfen? Ich verstand die Welt nicht mehr. Naja, eigentlich verstand ich ganz gut, denn natürlich überlegt man sich zweimal unter welchen Wisch man seinen kostbaren Namen setzt, wenn Züchterexistenzen daran hängen. Dass der Hund keinen Tumor hatte (denn sie hatte nun schon seit gut vier Jahren die Epilepsie), war mir sonnenklar.
Im August musste Kayleigh aufgrund des Verdachts auf Hämometra (was sich nicht bestätigte), kastriert werden. Sie lag in Narkose und ich überlegte das MRT zu wiederholen. Der Arzt fragte mich „wofür?“ und ich entgegnete „für einen Papierwisch für den Zuchtverband“. Damit gab ich mir selbst die Antwort und entschied mich dagegen. Der Hund war ohnehin in keinem guten Zustand, außerdem hatte ich nicht im Lotto gewonnen.
Am 30. September begann sie wieder zu krampfen. Wieder eine Serie. Unter allen Medikamenten, die sie bekam. Ich bekam sie nicht raus. Nachts rief ich in der Klinik an. Ich sagte, ich könne ihr jetzt noch die Höchstdosis Levetiracetam geben und verblieb mit der Ärztin so, dass ich käme, wenn sie dann immer noch krampfte. Dann hatten wir zwei Stunden Ruhe. Kayleigh kam in mein Bett und legte sich in meinen Arm. Sie sah mich an und kuschelte sich an mich, wie sie es nie getan hatte. Da wusste ich es.
Um 5:27 Uhr kam der nächste Anfall, aus dem ich sie nicht mehr herausbekam. Ich rief meine Nachbarin, da ich allein war, um den krampfenden Hund ins Auto zu tragen. Ich rief von unterwegs die Klinik an, mit dem Hinweis, dass ich jetzt mit einem Hund mit Status epilepticus käme. Erst im Auto wurde mir bewusst, dass sie nicht mehr aufhörte zu krampfen. Die Fahrt dauerte 35 Minuten. Der zappelnde Hund lag hinter mir im Auto und jede verfluchte Ampel war rot. Ich sang ihr „Over the Rainbow“ vor. Als ich ankam, war sie blau und hatte auf 40 Fieber hochgekrampft.
Wieder 48 Stunden Narkose. Ich entschied mich für eine weitere MRT und Liquoruntersuchung. Man fand nichts. Der Schnupfen war weg. Der Hund war ohne Befund. Aber: das Gehirn war durch den langen Anfall extrem geschädigt, hatte Läsionen davongetragen, die 1/3 des Gehirns ausmachten.
Nach 48 Stunden in Narkose versuchten wir, sie wieder aufwachen zu lassen. Sie krampfte. Sie krampfte unter allen Medikamenten, die man hat geben können. Ich bekam den Anruf von der sehr traurigen Ärztin. Als wir in der Klinik ankamen, erkannte ich meinen Hund nicht mehr. Der Blick ins Leere, nicht mehr anwesend. Der Kopf nur noch am Zucken, weil Medikamente Anfälle unterdrückten. Ich sah das MRT Bild und die Entscheidung war klar. Es ging mir so, wie vielen Hundebesitzern, die sich nach einem Status epilepticus der Tatsache gegenüberstehen sehen, dass der Hund nicht mehr ohne Anfall wach wird.
Im Bericht der Klinik steht:
„Sobald die Narcofoldosierung reduziert wird, zeigt der Hund Anfallsepisoden, die über ein Exzitationsstadium hinausgehen. Aufgrund der vorliegenden Klinik und des progredient schlechteren Verlaufs entscheiden sich die Besitzer zur Euthanasie des Tiers. Kayleigh wurde im Beisein der Besitzer euthanasiert.“
Nach dem Tod von Kayleigh bekam ich eine schriftliche Diagnose der Spezialistin. Sie wurde in der DRC Datenbank mit Epilepsie eingetragen. Nach vier Jahren. Nach dem Tod meines Hundes. Ich bekam Anrufe, denn der Fall hatte wohl doch für Aufruhr gesorgt. Die Züchterin, die mich so massiv beschimpft und mit Anwalt gedroht hatte, ist Teil der Flatcoated Retriever Zuchtkommission. Na sowas, wie kann das denn sein?
Wie ich herausfand, ist Kayleigh nicht die erste Flatcoated Hündin mit Epilepsie. Es ist extrem selten bei den Flats, aber wenn wir so weiterzüchten und wenn ich die Ignoranz dieser Züchter sehe, ist es nur eine Frage der Zeit, wann wir die Quittung bekommen.
Es gibt sie wirklich, die Züchter, die durchaus Interesse daran haben, offen mit dieser Krankheit umzugehen. Die wissen, dass nur ein offener Umgang dazu führen kann, dass wir keine Träger dieser Krankheit verpaaren. Das sind aber nicht die Züchter, die Geld damit verdienen und aus Angst anfangen, Leute zu beschimpfen und unter Druck zu setzen. Nun, bei mir seid ihr an der falschen Adresse. Es hat lange gedauert, bis ich den Eintrag in die Datenbank offiziell bekommen habe. Das lag daran, dass ich das Leben meines Hundes nicht in Gefahr gebracht habe, nur damit es einen Papierwisch gibt. Aber ihr habt doch wohl nicht gedacht, dass ich das schweigend hinnehme? Zumal ich weiß, dass es auch Geschwister gibt, die nicht die gesündesten sind.
Deshalb frage ich euch: Habt ihr eine Ahnung, was ihr diesen Hunden und Menschen antut? Habt ihr eine Ahnung, wie sehr ein epilepsiekranker Hund das Leben beeinflusst? Ein normaler Alltag ist überhaupt nicht mehr möglich mit so einem Hund! Ist der Hund auf Tabletten eingestellt, müssen diese immer zeitgleich gegeben werden. Viele leiden unter den Medikamenten, vor allem beim Einstieg. Das ist für viele Familien ganz furchtbar. Man nennt die ersten Tage unter den Medis oft „das Tal der Tränen“. Viele Hunde verändern sich. Sie torkeln, laufen überall vor, sind nicht mehr sie selbst. Lassen die Nebenwirkungen nach, sind sie häufig trotzdem nicht mehr so wie vorher. Jeder Anfall zerstört weitere Gehirnzellen und ebnet den Weg für den nächsten. 1/3 der Patienten spricht gar nicht auf eine Medikation an. Diese Besitzer laufen von einem Arzt zum nächsten, reisen oft durch ganz Deutschland, um Hilfe zu bekommen. Ach ja, wer bezahlt das eigentlich? Wisst ihr, was so eine Ausschlussdiagnostik kostet? Wisst ihr, was so ein Klinikaufenthalt kostet? In den Epilepsie-Gruppen liest man oft von Hunden, in denen 15000-30000€ stecken. Was macht denn die Familie, die sich das nicht leisten kann? Den Hund einschläfern? So klar ist es nämlich manchmal nicht, den Hunden geht es in den Zeiten zwischen den Anfällen oftmals sehr gut. Wisst ihr, dass die Medikation eines solchen Hundes oft 150-200€ im Monat kostet?
Der Hund kann in den meisten Fällen nicht allein bleiben, denn was passiert, wenn er einen Anfall bekommt und nicht von allein herauskommt? In unserem Fall habe ich meine Kayleigh oft mitnehmen können, zuhause wurden Kameras installiert und wir hatten eine gute Hundesitterin. Die muss erst mal gefunden werden, denn wer behält schon den Kopf, wenn der Hund krampft, schaut ruhig auf die Uhr, wann das Diazepam Zäpfchen rein muss? Das kann nicht jeder. Urlaub? So gut wie gar nicht möglich. Kommt der Hund mit, dann sucht man sich vorher die Tierärzte der Umgebung raus. Bleibt er zuhause, braucht man wieder einen guten Hundesitter, eine Pension kommt logischerweise nicht infrage. Macht der Partner das immer mit? Es gibt Beziehungen, die daran zerbrochen sind.
Man gewöhnt sich nie an diese Anfälle. Man sitzt daneben und zählt die Sekunden und hofft, dass es diesmal kein Status wird und der Hund wieder rauskommt. Ihr verantwortungslosen, geldgeilen Züchter, schaut euch mal so einen Anfall an (ich werde euch einen in die Kommentare posten)!
Ich kann gar nicht ausdrücken, was für eine Verachtung ich solchen Züchtern gegenüber empfinde. Sie sind ein Schlag ins Gesicht für die Menschen, die diese Hunde betreuen und auch ein Schlag ins Gesicht für die Züchter, die wirklich das Wohl der Rasse im Sinn haben und bemüht sind, gesunde Hunde zu züchten.
Aufgrund all dieser Gedanken, habe ich mich zu einem neuen Projekt entschlossen. Ich werde einen gemeinnützigen Verein für epilepsiekranke Hunde gründen. Ein Verein, der Menschen finanziell unterstützt, wo nötig. Der nicht erst tätig wird, wie der Epilepsie Fonds des DRC, wenn man bei Spezialisten alle Untersuchungen wiederholt hat und dann einen minimalen Teil davon erstattet bekommt. Ein Verein, der die Möglichkeit eines Netzwerks zur Betreuung von Hunden, herstellt. Ein Verein, der auf das Problem aufmerksam macht. Denn wer weiß schon, dass es z.B. zig Labrador oder Australian Shepherds mit Epilepsie gibt? Dass man sehr gut Ahnentafeln studieren sollte, bevor man sich einen Hund dieser Rasse anschafft (wer macht das schon, wenn er sich noch nie mit dieser Krankheit beschäftigt hat)? Dass es immer mehr Rassen gibt, die betroffen sind? Wachrütteln und unterstützen.
Ich bin sehr froh, dass ich liebe Menschen kennengelernt habe, die mich unterstützt haben. Ich habe so viele traurige Geschichten gehört und gelesen. „Mein Hund hat jetzt den 20. Anfall dieses Wochenende“, „Ich war jetzt schon beim 5. Tierarzt, habt ihr noch eine Idee?“, „In meinem Hund stecken jetzt schon 30000€“, „Ich wurde bedroht, ich solle die Homepage löschen“, „Bitte drückt die Daumen, dass ich ihn in einer Woche wieder aus der Klinik holen kann“, „Wir haben jetzt schon alles an Medikamenten probiert, jetzt gibt es zusätzlich noch xy, was kann ich noch tun?“, „Heute Nacht war es wieder so weit, er ist vom Sofa gefallen“ und
„Mein Hund ist nach 48 Stunden Narkose nicht mehr ohne Anfall wach geworden. R.I.P.“
Bild
Nur wer einmal seinen Windhund jagen gesehen hat, der weiß, was er an der Leine hat!
Michaela
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