*Sind Greyhounds dumm?

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*Sind Greyhounds dumm?

Beitrag von Greyhound-Forum »

Tolle Worte von Barbara Thiel

Ein Tierarzt-Kollege fragte gestern: „Weil jetzt Greys und Whippets ins Spiel kamen, mal eine naive Frage an die Fans und Besitzer: Mir gefallen sie ja schon, auch als Patienten. Ich habe nur immer das dumpfe Gefühl, dass sie im Vergleich zu anderen Rassegruppen ziemlich dämlich sind. Kann das sein?“
Ich kann mir gar nicht erklären, wie er zu der Meinung kommt 😏
Meine Antwort:
Wenn man sich die Geschichte der einzelnen Windhund-Rassen so anschaut, stand bei deren Selektion nie das im Vordergrund, was Coren „Gehorsamsintelligenz“ nennt. Ganz entscheidend waren dagegen ererbte Eigenschaften wie ein ausgeprägtes Jagdverhalten und die Fähigkeit, Schnelligkeit, Körperbeherrschung sowie Zusammenarbeit mit anderen Hunden bei der Jagd zu entwickeln. Dazu kommt ein notwendiges Quentchen an „Problemlösungsintelligenz“, weil diese Hunde zwar eng mit dem Menschen zusammenlebten, aber trotzdem schauen mussten, wo sie bleiben. Das befolgen von Befehlen stand hier nie im Vordergrund, eher das „sich-selbst-anpassen“. So werden auch heute noch Podencos und vermutlich auch Galgos im Jagdeinsatz über Wasser geführt. Das bedeutet, sie jagen in dermaßen trockenen Gebieten, dass die Hunde gerne zu ihren Haltern zurückkehren – denn nur dort gibt es Trinkwasser. Dazu muss man dann keinen aufwändigen Rückruf trainieren, das lernen die Hunde von ganz alleine. Oder orientalische Windhunde, die mit Beduinen oder Tuareg zusammenleben – denen ist recht schnell klar, dass zu weites Entfernen vom Camp ihr Leben suboptimal beeinflussen könnte…
Whippets und Greyhounds nehmen da eine Sonderstellung ein. Whippets als „Wildererhund“ mit hohem Terrier-Anteil bringen ein gewisses Maß an Gehorsamsintelligenz mit, denn sie mussten ja immer ein wenig „unter dem Radar fliegen“ und zuverlässig funktionieren. Deswegen gibt es einige Whippets mit Begleithundeprüfung und im Agility-Sport. Und Probleme lösen könne sie meist auch besser, als es ihrem Besitzer lieb ist.
Bei den Greyhounds aus Rennlinien wurden seit vielen, vielen Generation die Hunde primär auf Geschwindigkeit selektiert. Damit ein Greyhound diese aber „gewinnbringend“ zeigen kann, muss er sich an die Rahmenbedingungen anpassen. Dafür braucht er: ausgeprägten Jagdtrieb, Verträglichkeit mit anderen Hunden (sowohl auf der Bahn als auch im Kennel) und Umgänglichkeit gegenüber dem Menschen, da er oft auch von wechselndem Personal betreut wird. Das Ausführen von Befehlen jedweder Art wird von Greyhounds im Rennbetrieb so gut wie nie verlangt. Weil das so ist, lernen diese Hunde diese Form des Lernens nie, weshalb ausrangierte Ex-Racer diesbezüglich oft recht hilflos erscheinen. Andererseits beherrschen sie oft durch Gewöhnung Dinge, wovon manche Hundehalter nur träumen können: abschalten, wenn nichts los ist, ordentlich an der Leine gehen, alle möglichen Menschen tolerieren, sich am ganzen Körper anfassen und manipulieren lassen…
Ein guter Greyhound sollte wie ein guter Pit Bull mit einem geblümten Gemüt auf die Welt kommen. Das bedeutet, er sollte erstmal von der Welt nichts Böses erwarten - anders als z.B. ein Hovawart oder Rotti, der mit einem gesunden Schuss Misstrauen ausgerüstet sein sollte, um seinen Job gut zu versehen.
Dann ist der Greyhound auch gerne bereit, sich auf alles Mögliche einzulassen. Meine Jungs machen z.B. gerne Clicker-Training und lernen dabei allerhand Kunststücke. Die Hunde von Barbara Koller sind als Therapiehunde im Einsatz, es gibt (v.a. in den USA) etliche Greyhounds mit Obedience-Titeln und in Skandinavien welche mit Blood-Tracking-Prüfungen. Man kann also eine Menge mit ihnen anfangen, wenn man sie entsprechend fördert – „dämlich“ sind sie nicht. Wobei ich mir bei ehrgeizigen Plänen auf jedem der genannten Gebiete vielleicht eher eine andere Rasse suchen würde.
Denn die wahre Intelligenz von Greyhounds sähe man da, wo man sie heute in Mitteleuropa nicht mehr sehen darf: Bei der gemeinsamen Jagd mit einem Artgenossen auf Hase, Reh oder Hirsch.
Bild
Nur wer einmal seinen Windhund jagen gesehen hat, der weiß, was er an der Leine hat!
Michaela
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