*Alter, Du unterschreitest meine Individualdistanz!

Around the Greyhound / Rund um den Greyhound
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*Alter, Du unterschreitest meine Individualdistanz!

Beitrag von Greyhound-Forum »

"Ey Mann, Du bist in meiner Privatsphäre!" oder: "Mann/Alter, Du unterschreitest meine Individualdistanz!"

Greyhounds können Raumaggression zeigen, was es für den Besitzer bedeutsam macht zu wissen, worum es sich hierbei handelt, wie man sie erkennt, und wie sie ihren Hunden helfen können.

Lag Dein Greyhound auch schon einmal auf dem Küchenboden, scheinbar entspannt und glücklich, und dann – BUMMS! – aus dem Nichts heraus wird er zu „Cujo“? (Anm.: Dem tollwütigen Hund aus dem gleichnamigen Roman von Stephen King).

Das kann passieren, wenn ein Hund es nicht mag, wenn jemand seine Individualdistanz unterschreitet. Das hat nichts mit territorialem Verhalten zu tun, bei dem ein Hund sein Territorium, z.B. einen Hof, das Sofa oder eine Person verteidigt. Vielmehr wahrt er seinen persönlichen Raum (den persönlichen Abstand, den er benötigt), wo auch immer er sich befindet.

Ein Greyhound mit solch einer „Raumaggression“ zeigt bereits Anzeichen von Stress und ist angespannt, lange bevor jemand, Mensch oder Tier, ihm so nahe kommt, dass er ihn berühren könnte. Ein früher Stressanzeiger ist, dass der Hund seinen Kopf von dem sich nähernden Menschen oder Tier abwendet. Dies ist auch bekannt als „raumschaffendes Verhalten“, und der Greyhound hat, wenn dieses Anzeichen nicht respektiert wird, keine andere Möglichkeit, als noch deutlichere Warnzeichen folgen zu lassen. Wenn er dann tatsächlich angefasst wird, könnte er ein leises warnendes Knurren von sich geben, gefolgt von einem Erstarren, und danach könnte er schnappen oder beißen.

Dieser Artikel wird untersuchen, wie Raumaggression entstehen kann, und was wir als Greyhoundbesitzer tun können, um dem entgegenzuwirken.

Renngreys sind daran gewöhnt, Einzelverschläge zu haben (Anm. MM: je nach Kennel, in manchen Anlagen sind sie auch zu zweit oder dritt untergebracht), was dazu führen kann, dass sie sich angreifbar fühlen, wenn sie sich im Freien zum Ausruhen niederlegen, wo Menschen oder andere Hunde sich plötzlich aus jeder Richtung nähern können.
Manche Greyhounds scheinen hier sensibler zu sein als andere.
Raumaggression kann sich auch aus erlerntem Verhalten entwickeln. Stellen Sie sich vor, ein etwas ängstlicher oder auch ein durchsetzungsstarker Grey, der keine angemessen positive Führung hat, bellt eine sich nähernde Person an, die dann stehenbleibt und sich zurückzieht.
Beim nächsten Mal, wenn sich jemand nähert, bellt der Grey früher und aggressiver, und die sich nähernde Person weicht zurück. Die Person, die zurückweicht, verstärkt das Verhalten des Greys, sodass die scheinbare Bösartigkeit des Hundes sich bei jedem weiteren Mal steigern wird. Der Hund hat gelernt, dass er die Situation auf diese Weise kontrollieren kann, und wird seinen persönlichen Raum durch „aggressiv sein“ ausweiten.

Wohlgemerkt, Raumaggression ist nicht dasselbe wie Schlafaggression, weil der Hund vollständig wach ist, während das geschieht. Wenn ein Hund Anzeichen von Raumaggression zeigt, ist es wichtig, ihn nicht zu stören oder seine Individualdistanz zu unterschreiten, wenn er ruht. Stattdessen lassen Sie den Hund zu Ihnen kommen. Es ist unerlässlich, jeden in Ihrem Heim, und jeden Besucher, darauf hinzuweisen, den Hund zu sich zu rufen, statt in dessen persönlichen Raum einzudringen.

Sobald wie möglich beginnen Sie mit Hilfe eines Hundetrainers ein langsames und systematisches Desensibilisierungsprogramm, um mit dem Problem umzugehen. Währenddessen ist der richtige Umgang mit dem Hund entscheidend, nämlich niemandem zu erlauben, sich dem Hund zu nähern, während er in seinem Bett liegt oder überhaupt dessen Individualdistanz zu unterschreiten. Stattdessen lassen sie Ihren Hund von sich aus auf die Leute zugehen. Jede negative Erfahrung wird den Hund zurückwerfen und ihm beibringen, dass sein („aggressives“) Verhalten funktioniert, sodass er es häufiger einsetzt.

Machen wir uns nichts vor: Es ist schwer, jeden zu beaufsichtigen, der zu Ihnen nach Hause kommt.
Aber genauso, wie wir das für unsere Kinder tun würden, wenn sie ein bestimmtes Bedürfnis hätten, sollten wir das wirklich auch für unsere Haustiere tun.

Der Therapieplan:
Während der Therapie ist entscheidend, Stresssignale zu erkennen, und die Reizschwelle des Greyhounds nicht zu überschreiten, sodass er niemals in die Phase des Knurrens kommt.
1.
Wenn Sie merken, dass Ihr Greyhound unruhig wird, rufen Sie ihn zu sich, und weisen ihn an, sich woanders hinzulegen. Dadurch werden zwei Dinge erreicht. Erstens vermeiden Sie das unerwünschte Verhalten, was wichtig ist. Denn jedes Mal, wenn das Verhalten eintritt, verwurzelt es sich tiefer, wird häufiger auftreten und in seiner Intensität zunehmen. Zweitens bringen Sie dem Hund bei, sich von selbst zurückzuziehen statt sich aggressiv zu verhalten. Das wirkt gegen die alte Konditionierung. Irgendwann hat der Hund gelernt, dass er eine bessere Wahl hat, die von Ihnen positiv verstärkt wird.

2.
Wenn die Toleranzschwelle des Greyhounds bereits überschritten ist, und er nicht mehr hört, maßregeln Sie ihn schnell und scharf mit ihrer Stimme. Tun Sie das auch jedes Mal, wenn er knurrt oder schnappt. Das reißt ihn aus dem Verhalten heraus, und zeigt ihm, dass Sie alles unter Kontrolle haben, und dass dieses Verhalten für ihn keine Option ist. Denken Sie daran: Damit verbale Korrekturen funktionieren, müssen sie im Bruchteil der Sekunde erfolgen, in dem das Verhalten auftritt und scharf genug sein, um den Hund dort herauszureißen.

3.
Der nächste Schritt ist die Desensibilisierung und der Gebrauch von klassischer Konditionierung, um den Greyhound zu lehren, einen sich nähernden Hund oder Menschen zu tolerieren, während er ruht:

a. Arbeiten Sie jeden Tag ein oder zwei Male an der Desensibilisierung, und keine Übungsphase länger als fünf Minuten. Halten Sie die Lieblingsleckerchen Ihres Greyhounds bereit. Diese können Hot Dogs, Käse, gekochtes Huhn oder Sardinen sein. Heißen Sie ihn sich auf sein Bett legen oder wählen Sie eine Zeit, wo er bereits dort liegt, und lassen Sie jemanden - der einen anderen Hund führt oder alleine – in einer Entfernung an ihm vorbeigehen, die ihn nicht im Geringsten stört. Verwöhnen Sie Ihren Hund währenddessen, indem Sie ihm die Leckerchen zuwerfen, und loben Sie ihn für sein gutes Verhalten. Wiederholen Sie diese Prozedur in derselben Entfernung und immer ohne seine Toleranzschwelle zu überschreiten.

b. Verringern Sie die Distanz jeweils um einige Zentimeter. Verwöhnen und loben Sie Ihren Hund jedes Mal. Wenn er knurrt, erstarrt oder auch nur angespannt ist, sind Sie zu schnell vorgegangen. An dieser Stelle vergrößern Sie die Entfernung wieder, und gehen langsamer vor. Es ist besser, langsamer zu machen und das Verhalten sehr gut zu festigen.

c. Schließlich steigern Sie die Übung soweit, dass ein Hund oder ein Mensch direkt an Ihrem Greyhound entlanggeht, und sich daneben ablegt. An dieser Stelle werfen Sie dann, nach dem Zufallsprinzip (also nicht immer) Leckerchen.

Sollte die Raumaggression Ihres Greyhounds durch Menschen ausgelöst werden, stellen Sie sicher, dass er einen behaglichen, sicheren Platz fern von Menschen hat – dort wo er sich wohlfühlt, und wo niemand an ihm vorbeigehen muss. Die Menschen sollten ihm behutsam ein Leckerchen zuwerfen, wenn sie an ihm vorbeigehen, und in einem für ihn akzeptablen Abstand unterhalb seiner Reizschwelle bleiben.
Während die Vorbeigehenden Leckerchen werfen, sollten sie wegblicken, und keinen Augenkontakt mit dem Hund herstellen. Sollte Ihr Greyhound aufstehen und sich ihnen nähern, können sie ihm ein weiteres Leckerchen geben, und ihn womöglich sogar langsam unterm Kinn streicheln.

Menschen sollten sich so einem Hund niemals aufdrängen oder ihn bitten, für das Leckerchen zu ihnen zu kommen. Es ist wichtig, dass damit keine Bedingungen verknüpft sind. So lernt Ihr Hund, dass gute Dinge passieren, wenn sich Menschen nähern, und dass sie ihm absolut keinen Stress bereiten. Achten Sie gut darauf, ob Ihr Hund irgendwelche Anzeichen für Unwohlsein zeigt. Denn jedes Mal, wenn seine Toleranzgrenze überschritten wird, wirft es Ihr Verhaltenstraining zurück.

Um die Therapie effektiv zu anzuwenden müssen Sie langsam vorgehen, um das Vertrauen Ihres Greyhounds aufzubauen, und sein Toleranzlevel zu erhöhen. Wenn Sie mit einem Abstand deutlich unterhalb seiner Toleranzschwelle beginnen und seine Wohlfühlzone langsam erweitern, werden Sie einen stetigen und wohldosierten Erfolg wahrnehmen.

Sollten Sie dagegen Ihren Greyhound etwas aussetzen, was ihn sofort hochgehen lässt, „flooding“ (Überflutung) genannt, geht das i.d.R. nach hinten los, und macht die Situation schlimmer. Klassische Konditionierung wirkt wesentlich besser, weil sie die Annäherung eines Menschen oder Hundes mit besonderen Leckerbissen verknüpft.

Raumaggression ist üblicherweise ein angstbasiertes Problem, arbeiten Sie daher daran, dass Ihr Hund sich sicher fühlt.
Beginnen Sie damit, sein Vertrauen zu erarbeiten, und ihn unter seiner Reizschwelle zu halten. An Ihrem positiven Führungsprogramm (mit positiver Verstärkung) zu arbeiten wird ebenfalls helfen. Eile mit Weile!

von Deb Levasseur, CTB (Hundeverhaltenstherapeut)

Zum Verfasser: Deb Levasseur CTB (Canine Behavior Therapist) Hundeverhaltenstherapeut ist Präsident und Gründer des Maritime Greyhound Adoption Programmes mit Sitz in Moncton, New Brunswick, Kanada

Quelle:
http://www.adopt-a-greyhound.org/sites/ ... r_2017.pdf

Übersetzt von "Maria Smiley" fürs Greyhoundforum. Übersetzungsfreigabe der Autorin liegt vor.
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Nur wer einmal seinen Windhund jagen gesehen hat, der weiß, was er an der Leine hat!
Michaela
Gesperrt

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