*Schilddrüse und Verhalten

häufig diagnostiziert - aber immer richtig?
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*Schilddrüse und Verhalten

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Schilddrüse und Verhalten - Dechra Autorin Karina Mahnke

Verhalten wird von vielen Faktoren beeinflusst. Welches Verhalten gezeigt wird, ist abhängig von dem Resultat der gemeinsamen Verarbeitung von physiologischem Zustand und Wahrnehmungen im Gehirn. Hormone können das Verhalten beeinflussen, indem sie direkt auf das Gehirn oder auf andere Organsysteme wirken oder die Produktion anderer Hormone anregen oder drosseln. So sind sie z. B. unter der Wirkung von Cortisol vermindert, unter Insulin oder bei Progesteron erhöht. Es gibt viele solcher Wechselwirkungen von Hormonen untereinander. Kommt es bei einer Hypothyreose zu vermehrter Ausschüttung von TRH, wird dadurch auch das Prolaktin erhöht, was einen hemmenden Einfluss auf die gonadotropen Hormone hat. Zwischen Schilddrüsenhormonen und Dopamin, Serotonin und Noradrenalin
im Gehirn sind anatomische und physiologische Interaktionen aufgedeckt worden. Auch gleichzeitiges Auftreten von Aggression, Veränderungen von Neurotransmittern und Hypothyreose sind beschrieben worden. Der genaue Mechanismus ist allerdings nicht bekannt. Schilddrüsenhormone wirken auf den gesamten Körper. Sie beeinflussen sowohl katabole als auch anabole Stoffwechselvorgänge. Grundsätzlich
sind bei kleineren Tieren durch den höheren Grundumsatz höhere Schilddrüsenwerte zu erwarten als bei größeren. Sind die Schilddrüsenwerte erniedrigt, kommt es klassischer Weise durch den verminderten
Grundumsatz zu Gewichtszunahme, Kälteempfindlichkeit und Konzentrationsschwäche. So sind bei Hunden unter 10 kg die Schilddrüsenwerte etwashöher und bei Hunden über 30kg etwas niedriger. Es kommt zu Lethargie und Stumpfsinn. Im Training bleiben Lernerfolge oftmals aus. Bei erhöhten Werten
resultieren Gewichtsverlust, Wärmeempfindlichkeit, Unruhe und Nervosität. Durch die komplexen Verflechtungen der Schilddrüsenhormone mit anderen Hormonen und Neurotransmittern sind die Auswirkungen von veränderten Schilddrüsenwerten allerdings weit gefächert und variieren bei einzelnen Individuen. Bei kongenitaler Hypothyreose kommt es nicht nur zu körperlicher Unterentwicklung sondern auch zu geistiger Retardierung, da Schilddrüsenhormone zum Aufbau von Nervengewebe
notwendig sind. Selbst bei geringem Mangel an Schilddrüsenhormonen sind bei Untersuchungen von Kindern spätere Lernund Konzentrationsschwierigkeiten festgestellt worden. Auch das Aufmerksamkeitsdefizit-
Hyperaktivitäts- Syndrom ist mit der Hypothyreose in Zusammenhang gebracht worden. Weitere Verhaltensänderungen, die bei Menschen mit Schilddrüsenerkrankungen beobachtet werden, sind
Stimmungsschwankungen, Gereiztheit, aggressives Verhalten, zunehmende Ängste und Depressionen. Bei Hunden ist der Thyroxinspiegel in den ersten 12 Lebenswochen erhöht, was mit der Zeit der stärksten
Gehirnentwicklung und der Sozialisationsphase zeitlich zusammenfällt. Im Alter sinken die Konzentrationen etwas ab. Die Hypothyreose ist beim Hund eine häufig vorkommende endokrinologische Erkrankung. Betroffen sind vor allem reinrassige Hunde. Bei manchenRassen und/oder in bestimmten Linien tritt Hypothyreose gehäuft auf. Das Vorkommen der Erkrankung ist nicht signifikant an ein bestimmtes Geschlecht gebunden. Beim Hund tritt in 95% aller Fälle eine primäre Hypothyreose auf. Davon verteilen sich die Fälle etwa zu gleichen Hälften auf die Lymphozytäre Thyreoiditis und die Idiopathische Atrophie der Schilddrüse. Bei der Lymphozytären Thyreoiditis handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung,
die durch das Auftreten von Antikörpern gegen Thyreoglobulin gekennzeichnet ist. Der Nachweis ist nur bei der Verwendung eines Tests mit guter Sensitivität und Spezifität möglich. Die Ursache der Idiopathischen Atrophie ist nicht ausreichend geklärt. Sie ist als Endstadium der Lymphzytären Thyreoiditis denkbar. So erreicht beispielsweise der Erkrankungshöchststand der Lymphozytären Thyreoiditis beim Golden Retriever zwischen ein und vier Jahren ihren Höhepunkt, der der Idiopathischen Atrophie zwischen
vier und sieben Jahren. Ein Augenmerk sollte auf die Fütterung in Bezug auf die Jodversorgung
fallen. Jod ist für eine normale Schilddrüsenfunktion unerlässlich, wirkt
sich in großen Mengen aber negativ aus. So lässt sich bei Hunden mit einer Diät, die 5,6 mg Kaliumjodid pro
kg Trockensubstanz enthält, eine Verminderung der Schilddrüsenfunktion
und Hypothyreose auslösen. Die Aufnahme großer Jodmengen kann auch die Entstehung autoimmuner
Thyreotitiden triggern. Selen ist notwendig für eine normale Schilddrüsenfunktion und wirkt sich gegen die
Entstehung autoimmuner Thyreotitiden aus.
Die klinischen Symptome einer Hypothyreose sind ebenso vielfältig wie ihre Wirkungen im Körper. Es können
dermatologische, kardiale, neurologische, muskuläre und ophthalmologische Veränderungen auftreten. Bei
Hündinnen können Veränderungen im Zyklus entstehen. Die Symptome kommen einzeln oder kombiniert
und in leichter bis schwerer Ausprägung vor. Das gleiche gilt für allgemeine Symptome, wie z. B. schnelle
Ermüdung, Kälteintoleranz und niedrige Herzfrequenz. Die Hypothyreose
wird gerne als Verwandlungskünstler bezeichnet. Es gibt kein einheitliches Krankheitsbild, sondern individuelle Zusammenstellungen und Ausprägungen.
Bei der Labordiagnostik zeigt sich häufig eine leichte Anämie und ein nüchtern erhöhter Cholesterinwert.
Auch eine Erhöhung der Triglyceride kommt häufig vor.
Abgesehen von der klassischen Lethargie und Konzentrationsschwäche sind mögliche Verhaltensänderungen
Aggression, epileptiforme Anfälle, Angst und Hyperaktivität. Die Verhaltensänderung
kann das alleinige vorherrschende Symptom sein. Aggressives Verhalten tritt am
häufigsten auf. Typisch für das Aggressionsproblem ist, dass die betroffenen Hunde das
Verhalten in einer bestimmten Situation zeigen, aber zu einem späteren Zeitpunkt in der gleichen Situation
nicht. Es fehlt also ein klar zuzuordnender externer Auslöser. Die Hunde wirken auf ihre Besitzer oftmals gereizt. Tritt das Problem bei einem älteren Hund auf, zeigt sich häufig in
der Anamnese, dass der Hund zuvor keine Tendenz für das Verhaltensproblem gezeigt hat. Bei Hunden, die
bereits im jugendlichen Alter betroffen sind, muss beurteilt werden, ob
das Verhaltensproblem zu ihrer zu erwartenden Verhaltensentwicklung
30 fachpraxis Nr. 51, Juni 2007 Innere Medizin passt. Besonders schwierig ist eine
Einschätzung, wenn ein betroffener Hund durch andere Ursachen, wie
z. B. einen mangelhaften Verlauf der Sozialisationsphase, bereits Verhaltensauffälligkeiten
aufweist. Es sind bereits mehrere Rassen aufgefallen, bei Hypothyreose Verhaltensprobleme
zu entwickeln. Dazu gehören der Afghane, Airedale Terrier, Akita Inu, Australian Sheperd,
Boxer, Chow Chow, Cocker Spaniel, Dackel, Dänische Dogge, Deutscher
Schäferhund, Dobermann, Epagneul Breton, Englische Bulldogge, Golden Retriever, Irish Setter, Irish Wolfhound, Labrador, Pommernspitz, Pudel, Sheltie, Rhodesian Ridgeback und Zwergschnauzer.
Die Diagnose der Hypothyreose ist bei Berücksichtigung aller möglichen Einflussfaktoren durchaus aufwändig. Eine Bestimmung einzelner Schilddrüsenwerte vermittelt keine klare
Aussage. Denn die Schilddrüsenwerte unterliegen vielen Einflussfaktoren.
Vor allem müssen als erstes andere Erkrankungen ausgeschlossen werden, da die Schilddrüsenwerte
sekundär beeinflusst sein können. Beim Morbus Cushing verändern sich die Schilddrüsenwerte sogar so,
dass sie fälschlicher Weise auf eine Hypothyreose hinweisen. Viele Medikamente
haben einen Einfluss auf die Schilddrüsenwerte. So ist das gesamte Thyroxin unter anderem bei
der Gabe von Glucocorticoiden, Sulfonamiden, Barbituraten und nichtsteroidalen Antiphlogistika vermindert.
Vor allem nach Hormongaben können die Schilddrüsenwerte selbst nach Wirkungsende über einen Zeitraum
von ca. acht Wochen beeinflusst sein. Bei logischer Betrachtung des Regelkreises
der Schilddrüsenhormone müssten bei einer Euthyreose alle Werte im Normbereich liegen,
bei
subklinischer Hypothyreose müsste:
TSH erhöht und T4 im Normbereich und

bei klinisch manifester Hypothyreose:
TSH erhöht und T4 erniedrigt sein.

Leider gibt es hiervon diverse Abweichungen und Einflussfaktoren. Auch spielt die verwendete Bestimmungsmethode eine große Rolle. Es sind viele Tests auf dem Markt, von denen viele nicht auf ihre Genauigkeit überprüft worden sind, so dass dieser Umstand die Auswertung erschwert. Allerdings wird dieser Zustand stetig verbessert. Auch gibt es bereits Labore, die in Ringversuchen
mit der Michigan State University ihre Werte abgleichen. Dort sind umfangreiche Untersuchungen zur Sicherheit der Bestimmungsmethoden für Schilddrüsenhormone durchgeführt worden, so dass die dort angebotenen Tests eine hohe Sensitivität und Spezifität aufweisen. Die Bestimmung vom gesamten
Thyroxin (gT4) ist die einfachste preisgünstigste Möglichkeit, um eine Hypothyreose mit einer recht großen
Wahrscheinlichkeit auszuschließen, aber nicht um sie zu beweisen. Die Thyroxin-Werte unterliegen gewissen
jahres- und tageszeitlichen Schwankungen. So ist das gT4 morgens am niedrigsten, zwischen 11.00 und 14.00
Uhr am höchsten und zwar etwa doppelt so hoch wie morgens. Bis 20.00 Uhr fallen die Werte etwas ab.
Auch das fT4 folgt einem ähnlichen
Tagesverlauf.
„Sichthetzer“ (Greyhounds) und Akitas haben generell niedrigere Werte als andere Rassen.
Erniedrigte Werte können durch andere Erkrankungen und bestimmte Medikamente verursacht werden. Bei
der Verwendung eines umfassend geprüften Tests ist das Thyroxin bei ca. 95% der Fälle erniedrigt. Hypothyreote Hunde mit Werten im unteren Bereich des Referenzbereichs kommen
in ca. 5% der Fälle vor. In solchen Fällen sollte das freie T4 (fT4) bestimmt werden. Dieser Wert ist weniger von nicht schilddrüsenbedingten Erkrankungen und von Schwankungen in den Proteinbindungen des gT4 betroffen. Um falsch erhöhte Werte durch interferierende Autoantikörper auszuschließen, ist eine Bestimmung des fT4 durch das aufwändige Verfahren der Equilibrium Dialyse (ED) notwendig.
Das gesamte Trijodthyronin (gT3) ist die aktive Form des Hormons. Es ist häufig bei hypothyreoten Hunden
im normalen Bereich, da der Körper bestrebt ist, diesen Wert zum Ablauf der Körperfunktionen aufrecht
zu erhalten. Bei der T3-Bestimmung kann es durch Antikörper sowohl zu falsch erhöhten Werten als auch zu
nicht messbaren Werten kommen. Da Autoantikörper gegen T3 häufiger vorkommen als gegen T4 ist dies ein
weiterer Grund, warum sich die T3- Werte so schlecht zum Nachweis einer Hypothyreose eignen.
Das TSH sollte klassischer Weise bei einer Hypothyreose erhöht sein, in dem Bestreben die Schilddrüse zur
Hormonproduktion anzuregen. Dies ist allerdings in bis zu 40% der Fälle nicht nachweisbar. Die Ursache
hierfür kann darin liegen, dass hypothyreote Hunde im Gegensatz zu gesunden Hunden eine pulsatile Ausschüttung von TSH haben. Weiterhin können eventuell die Tests bei einigen Hunden nicht das TSH messen oder es können gleichzeitig andere Erkrankungen einen vermindernden Effekt auf die Ausschüttung vom TSH haben. Auf der anderen Seite weisen auch bei diesem Wert bis zu 20% schilddrüsengesunder Hunde einen leicht erhöhten TSH-Wert auf. Hier kommen andere Erkrankungen mit Wirkung auf die TSH-Ausschüttung oder vorangegangene Medikation in Frage. Weiterhin besteht die Möglichkeit, dass betroffene Hunde eine Schilddrüsenerkrankung aufweisen, die jedoch noch durch eine gesteigerte TSH-Ausschüttung kompensiert werden kann. Sind alle anderen Werte im Normbereich, sollte eine
erneute Testung in solchen Fällen auf jeden Fall nach einiger Zeit durchgeführt werden.
Thyreoglobulin Autoantikörper (TgAA) treten bei gut der Hälfte (55%) aller hypothyreoten Hunde auf. Zusätzlich weist die Hälfte der TgAApositiven Hunde Autoantikörper
gegen T3 (T3AA) und nur ein knappes Viertel Autoantikörper gegen T4 (T4AA) auf. Beide Autoantikörper
können zusammen oder alleine vorkommen. Das alleinige Vorkommen von Autoantikörpern gegen Schilddrüsenhormone ohne TgAA kommt extrem selten vor. Eine höhere Dosis an Thyroxin wegen Autoantikörpern ist bei der Therapie nicht notwendig. Im Verlauf einer Thyroxinbehandlung
gehen die Autoantikörper zurück, so dass die Bestimmung nur bei unbehandelten Hunden sinnvoll ist. Der
Nachweis von TgAA beinhaltet die Diagnose Lymphozytäre Thyreoiditis. Sie zeigt aber nicht an, in welchem
Stadium der Erkrankung sich der Hund befindet. Er kann bereits eine Hypothyreose entwickelt haben, im
Begriff dazu sein oder aber er entwickelt in seinem Leben überhaupt keine Hypothyreose. Auch können die
Autoantikörper wieder verschwinden, ohne dass der Hund an einer Hypothyreose erkrankt ist. Durch
enge Zuchtlinien und das Fehlen von Untersuchungen in Deutschland kann die Lymphozytäre Thyreoiditis schnell zum Rasseproblem werden. In den USA gibt es durch die „Thyroid Registry“
die Bestrebungen züchterisch gegen die Lymphozytäre Thyreoiditis vorzugehen. Die Hunde werden auf
fT4ED, TSH und TgAA untersucht und registriert. Die Diagnose Hypothyreose kann sicher
gestellt werden, wenn der betroffene Hund Symptome einer Hypothyreose aufweist, einen erhöhten
TSH-Wert und erniedrigtes T4 hat. Als ebenso eindeutig gilt der TSH-Stimulationstest, wenn es zu keinem oder geringem Anstieg von gT4 kommt. Allerdings ist bovines TSH seit einiger
Zeit nicht mehr im Handel. Da humanes TSH sehr teuer ist, wird dieser Test kaum noch durchgeführt. Der
TRH-Stimulationstest ist weit weniger aussagekräftig, da es selbst bei euthyreoten Hunden nach Stimulation nur zu einem kleinen und inkonstanten Anstieg vom gT4 kommt. Eine gute Aussagefähigkeit für einen krankhaften Prozess der Schilddrüse böte eine Schilddrüsenbiopsie. Die Ultraschall- Untersuchung der Schilddrüse findet allmählich immer weitere Verbreitung und kann zusätzliche Informationen
bieten. Die Therapie der Hypothyreose erfolgt durch die Gabe von Levothyroxin- Natrium in einer Dosis von
10–22 μg/kg Körpergewicht 2-mal täglich. Da die Enddosis individuell verschieden ist, kann beginnend mit der niedrigsten Dosis wöchentlich um 5 μg/kg KGW 2-mal täglich die Dosis zügig gesteigert werden. Durch
die Wirkungen von Schilddrüsenhormonen auf das Herz-Kreislauf-System ist bei Patienten mit kardialen Problemen im Vorfeld eine besonders sorgfältige Diagnostik sowohl in Bezug
auf die Schilddrüse als auch auf das Herz notwendig. Ein kreislaufschonender Beginn der hyroxinsupplementation ist bei einer Dosis von 5 μg/kg KGW 2-mal täglich gegeben.
Eine Steigerung sollte aber nur alle zwei Wochen um 5 μg/kg KGW 2- mal täglich vorgenommen werden.
Bei Hunden mit Hypothyreose wird im klinischen Bereich häufig die Dosis auf einmal täglich reduziert, wenn die klinischen Symptome abgeklungen sind. Die einmal tägliche Gabe reicht oftmals aus, um ein Wiederkehren der Symptome zu verhindern. Im Verhaltensbereich sollte diese Praxis nicht umgesetzt werden, da dadurch stärkere Tagesschwankungen für den Hund entstehen als bei zweimaliger
Gabe. Zur Überprüfung wird nach sechs bis acht Wochen der gT4-Wert bestimmt. Bei einer Blutabnahme vier bis sechs Stunden nach Thyroxin-Gabe sollte der Wert im oberen Teil des Refe renzbereiches liegen oder sogar ein wenig darüber. Die meisten Hunde zeigen sich bei einem durchschnittlich mittleren bis oberen gT4-Wert am ausgeglichensten. Bei hypothyreoten Hunden mit einem Verhaltensproblem ist es
besonders wichtig, einen individuellen „Wohlfühlwert“ zu ermitteln. So kann bei Verschlechterung
des Verhaltens durch die gT4-Bestimmung ermittelt werden, ob die Thyroxin-Dosis nach oben oder nach unten korrigiert werden muss. Außer dem bestimmten Wert muss aufgezeichnet werden, was der Hund
am Tag der Blutabnahme gewogen, welche Dosis er bekommen und ob der Hund die Dosis zur Fütterung bekommen hat. Außerdem muss der Zeitabstand zwischen Tablettengabe und Blutabnahme notiert werden. Ist ein Hund auf eine Thyroxindosis eingestellt, sind Kontrollen höchstens
zweimal jährlich notwendig. Bei Veränderungen im Gewicht muss die Dosis neu angepasst werden. Auch
bei Schwankungen der Geschlechtshormone kann es zu einem veränderten Bedarf an Thyroxin kommen.
Wegen dieses Umstands ist auch eine Kastration eines betroffenen Hundes zu überlegen. Weiterhin muss der Besitzer darüber informiert werden, dass die Verwertbarkeit des Thyroxins durch eine gleichzeitige Fütterung beeinflusst wird. So wird nüchtern verabreichtes Thyroxin besser resorbiert. Der Besitzer muss sich also einmal entscheiden, ob er die Tabletten nüchtern oder zur Fütterung geben
möchte. Bei richtiger Einstellung der Thyroxin-Therapie ist mit einer schnellen Verbesserung der
Verhaltenssymptome zu rechnen. Auch ein vollständiges Verschwinden der Verhaltensprobleme
ist möglich. Allerdings kann es vor allem bei längerem Bestehen des Problems zu Lerneffekten
gekommen sein, die verhaltenstherapeutischer Maßnahmen bedürfen.
Auffällig ist, dass bei hypothyreosebedingten Verhaltensproblemen bereits das Auslassen einer Tagesdosis
zu massiven Rückfällen führen kann. Tritt dieses Phänomen auf, unterstreicht es die Diagnose Hypothyreose. Die Besitzer sollten auf dieses Problem unbedingt hingewiesen werden. Bei Hunden, die aufgrund einer Hypothyreose ein Aggressionsproblem haben und gleichzeitig über
eine schlechte Beißhemmung verfügen, ist unter Umständen aus Sicherheitsgründen von einer Haltung abzuraten. Verursacht ein Hund starke Verletzungen, ist damit zu rechnen, dass er bei erneuten Vorfällen wieder ähnliche Verletzungen setzen wird. Da es bereits bei einmaligem Auslassen der Thyroxin-Gabe zu einem Rückfall kommen kann und auch der Hormonspiegel durch viele Faktoren beeinflusst werden kann, kann ein erneuter Vorfall nicht ausgeschlossen oder vorhergesehen werden. Abgesehen von der notwendigen Gabe von Schilddrüsenhormonen bei klinisch manifester Hypothreose wird
ihr Einsatz auch in anderen Zusammenhängen immer wieder diskutiert. So gibt es aus der Humanmedizin
Untersuchungen, dass Menschen mit Depressionen und auch anderen psychischen Erkrankungen häufig subklinische Thyreoitididen aufweisen. Ebenfalls tritt ein Low-T3-Syndrom bei
psychischen Erkrankungen vermehrt auf. Durch die zusätzliche Gabe von T3 zu Psychopharmaka konnten vielfach Therapieverbesserungen erzielt werden. Beim Hund gibt es keinerlei placebokontrollierten Studien zu entsprechenden Vorgehensweisen. Auch scheiden sich beim Menschen die Meinungen der Endokrinologen über den Zeitpunkt eines Therapiebeginns mit Schilddrüsenhormonen.
Die einen geben nur dann Thyroxin, wenn alle Testergebnisse eindeutigsind und es dem Patienten körperlich richtig schlecht geht. Die anderen halten Thyroxingaben mit regelmäßigen
Kontrollen für ungefährlich. So wird häufig auch eine von den Werten her subklinische Thyreoiditis
mit Thyroxin behandelt, wenn Symptome einer Hypothyreose vorhanden
sind und andere Erkrankungen ausgeschlossen wurden. Fühlt sich der Patient mit der Behandlung besser,
wird unter regelmäßigen Kontrollen die Therapie beibehalten. Eine ähnliche Vorgehensweise ist auch beim
Hund denkbar. Handelt es sich doch bei den Schilddrüsenerkrankungen des Hundes um chronisch progressive Prozesse und die Symptome stellen sich schleichend über Jahre ein. Deutlich erniedrigte T4-Werte resultieren erst, wenn der Großteil des Schilddrüsengewebes zerstört ist. Allerdings stellt sich abermals die Frage nach diagnostischen Kriterien. Eine subklinische Lymphozytäre Thyreoiditis
liegt vor, wenn Thyroglobulin-Autoantikörper (mittels eines auf seine Sensitivität und Spezifität überprüften Tests) vorhanden sind, aber TSH, T4 und T3 unverändert sind. Bei einer subklinischen Hypothyreose ist theoretisch das TSH erhöht und T4 und T3 im Normbereich. Der TSH-Wert
ist aber beim Hund kein sicheres diagnostisches Kriterium. Allerdings wird bei Hunden, die zwischen 11.00 und 14.00 Uhr keine T4-Werte im oberen Referenzbereich aufweisen, eine
Schilddrüsenerkrankung wahrscheinlicher. Nicht zuletzt müssen für vorhandene
körperliche Symptome andere Ursachen sicher ausgeschlossen werden.
32 fachpraxis Nr. 51, Juni 2007Im Verhaltensbereich ist das Ausschließen anderer Ursachen besonders
schwierig. Die häufigste klinische Ursache für Verhaltensprobleme ist vermutlich Schmerz.
Durch die diagnostischen Schwierigkeiten bzw. die in der Praxis häufig schwere Realisierung aller sinnvollen Untersuchungen zur sicheren Diagnose einer Hypothyreose wird oftmals auf eine Probesupplementation mit Thyroxin zurück gegriffen. Diese Vorgehensweise
beinhaltet immer die Möglichkeit einer falschen Behandlung und sollte sorgfältig abgewoge
werden. Nicht jeder verhaltensauffällige Hund wird ein Schilddrüsenproblem haben. Leider kann man selbst
bei Verbesserung der Verhaltenssymptome bei Thyroxingaben nicht sicher auf ein Schilddrüsenproblem
schließen. Durch die neuromodulatorischen Wirkungen von Schilddrüsenhormonen ist eine Verhaltensänderung in jedem Fall möglich. Sinn und Nutzen einer bewussten Ausnutzung
der psychopharmakologischen Wirkungen von Schilddrüsenhormonen sind, wie oben bereits erwähnt, beim
Hund nicht untersucht.
B ei unklarer Diagnose ist es ratsam, zunächst mit der Verhaltenstherapie zu beginnen und
die Ernähung zu überprüfen und gegebenenfalls umzustellen. Die wiederholte Überprüfung
der Schilddrüsenwerte kann genaueren Aufschluss bieten. Fallen sie weiter ab, wird eine
Schilddrüsenerkrankung wahrscheinlicher. Auch kann in der Zwischenzeit der Einfluss der
verhaltenstherapeutischen Maßnahmen auf das Verhalten des Hundes beurteilt werden.
Anschrift der Verfasserin: Karina Mahnke

Tierärztliche Gemeinschaftspraxis Celina del
Amo & Karina Mahnke, -Verhaltenstherapie-,
Linienstr. 72, 40227 Düsseldorf,
Tel.: 0211-917927-1, Fax -3
e-mail: Karina.Mahnke@web.de
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Kleintierpraxis. Schlütersche Verlagsgesellschaft
mbH & Co.KG, 2005.
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Nur wer einmal seinen Windhund jagen gesehen hat, der weiß, was er an der Leine hat!
Michaela
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