Coursing-EM 2017 aus Sicht einer Helferin, 2.Teil

[ganador]

Donnerstag, es ist soweit: Heute ist der eigentliche Beginn der Coursing-EM 2017 in Lotzwil! Der erste offizielle Termin ist die Tierarztkontrolle am frühen Nachmittag für alle am Freitag startenden Coursing-Hunde. Deutlich mehr als 300 Hunde aus allen Ländern Europas mit ihren Besitzern sind also inzwischen auf dem Coursing-Gelände angekommen, die meisten von ihnen haben hier übernachtet, es herrscht Hochbetrieb. Mich stellt diese Situation nun vor eine neue Herausforderung, banal aber trotzdem anstrengend: Bisher hatte ich unseren ersten Hundespaziergang frühmorgens beim Morgengrauen immer mit zwei Hunden gleichzeitig gemacht, nacheinander in zwei Zweiergruppen. Leider aber können unsere Hunde nicht ruhig und brav warten bis sie an der Reihe sind, das Geschrei der zurückgebliebenen beschallt jeweils auf's schönste das ganze Gelände. Sowas wollte ich aber niemandem unserer Gäste zumuten, also ab sofort musste der frühe Spaziergang mit allen vieren an der Leine möglich sein. Schönes lockeres Leinelaufen, mit meinen drei energiegeladenen windigen Jungspunden und meinem betagten, seh- und hörbehinderten Senior, und dies bei all den interessanten Gerüchen und Hunden auf Schritt und Tritt... keine Chance. Leinengewirr, und zwischen den verwirrten Leinen die gefüllten Kotsäcklein, nicht wirklich ein Spass! Dies war auf jeden Fall ab sofort der schwierigste Programmpunkt des Tages für mich.

Ansonsten hatte ich im Bezug auf die Helfer-Einteilung wirklich den absoluten Schokoladen-Job gefasst: Teilnehmer-Kontrolle beim Tierarzt, jeden Nachmittag für die Hunde welche am Folgetag starteten, sowie am Vormittag des Renn-Tages eine Zusatzkontrolle für die ganz jungen und die über 6 jährigen Coursinghunde. Heisst in einem bald eingespielten Team gemütlich im Schatten sitzend die vorbeiziehenden Hunde kontrollieren ob sie auch tatsächlich den gemeldeten Chip tragen, dh ob der richtige Hund dann auch vom TA kontrolliert wird. Auf entspannte und freundliche Art die Hunde und ihre Besitzer begrüssen und in den kurzen Minuten Wartezeit vielleicht auch ein wenig kennen lernen, was könnte es schöneres geben! Ein wenig Verwunderung über nicht vorhandene oder schlecht funktionierende Chiplesegeräte, ein wenig Verwunderung über Besitzer welche keine Ahnung hatten wo ungefähr bei ihrem Hund der Chip zu finden sein könnte, oder dass sie bei der Anmeldung nicht eine Chip-Nr sondern ein Tatoo notiert hatten, oder wie der gemeldete Name ihres Hundes lautet.. aber alles in allem eine sehr friedliche und schöne Arbeit.

Und abends dann, nach der öffentlichen Auslosung der ersten Läufe vom Freitag folgte der Festakt, die offizielle Eröffnungszeremonie auf dem Platz der Siegerehrung vor dem grossen Festzelt. Für mich ein fast schon erhabener Anblick, die verschiedenen Länder-Delegationen, frisch und hübsch herausgeputzt und dekoriert im Länder-Look, nicht selten auch ihre Coursing-Hunde hübsch und in passenden Farben. Die grossen Fahnen wehten im immer kräftiger werdenden Abendwind, musikalisch beeindruckend untermalt aus den weitherum hörbaren Lautsprechern. Und, was nicht fehlen durfte, typisch schweizerisch ein lokales Jodler-Chörli mitsamt Berner Sennenhund am Leiterwagen... einfach nur schön!!!

[Bine 16]

Toller Bericht mit so schönen Fotos. Beim Lesen hat man das Gefühl, man wäre dabei gewesen.

[ganador]

Toller Bericht mit so schönen Fotos. Beim Lesen hat man das Gefühl, man wäre dabei gewesen.

Oh, ganz herzlichen Dank, Bine! Das freut mich sehr dass meine Zeilen und Bilder Dir gefallen. Es kommt aber noch mehr, das beste wird mein Bericht vom Freitag, mit vielen schönen Galgo-Fotos vom ersten Coursing-Lauf! Aber im Moment brauch ich ein wenig Pause, mir brummt der Kopf und meine Hundis verlangen ihren Abendspazottel. Auch mir tut etwas frische Luft gut, es ist nicht mehr gar so heiss jetzt gegen Abend, wir wagen uns nach draussen!

[ganador]

Freitag, der erste der drei Coursingtage, und MEIN Tag! Schon seit Wochen freue ich mich darauf, beim ersten Lauf der Galgo Españoles mit dabei sein zu können, als Zuschauerin und mit meinem Fotoapparat bewaffnet. Vielleicht gelingen ein paar schöne Bilder? Das Glück ist mir SEEEHR hold, denn die Galgos starten ihre Coursing-Läufe heute frühmorgens um sieben auf dem Parcours rot, laufen also unter der Overhead-Anlage, mein eindeutiger Favorit. Das Coursing-Gelände hier ist sehr interessant und abwechslungsreich, etwas hügelig und eher schwierig, für die Hunde doch eine gewisse Herausforderung. Ich habe gehört von einigen Coursinghunde-Besitzern die genau deshalb auf eine Teilnahme an dieser Coursing-EM verzichtet haben, weil JEDER Hund einmal den Parcours rot absolvieren muss (darf!), wo diese Leute schwere Verletzungen befürchten. Natürlich, Verletzungen sind immer möglich, unabhängig davon ob Bodenzug- oder Overhead-Anlage. Ein unverhoffter Tritt in ein Mausloch oder sonstige Spalte im Boden reicht manchmal aus, und wer auf sicher gehen will der darf seine Hunde nicht rennen lassen...

Das Gelände beim Parcours rot ist, anders als bei den topfebenen Parcours blau und gelb mit der Bodenzug-Anlage, vom Startraum her nicht überall einsehbar. Die Läufe halten so viele Überraschungen bereit, wenn zB im Start-Zielraum alle rätseln was wohl geschehen ist, wenn zwei Hunde ziemlich verdattert und ohne den Hasen plötzlich unverhofft viel zu früh wieder im Zielraum erscheinen. "Hasi verloren" ist dann einfach der etwas enttäuschte Kommentar. Natürlich stehen mitten im Parcours verschiedene Richter in Postion, welche genauestens jeden Schritt der Hunde während ihrem Lauf mitverfolgen und entsprechend bewerten.

Mein Helfer-Job ist nach wie vor der Einsatz bei den Tierarzt-Kontrollen, die Vormittagskontrollen beginnen erst um elf, wenn die Vormittags-Läufe durch sind. Heute erlaube ich mir, meine frühmorgendliche freie Zeit für die Galgo-Läufe zu investieren und nicht wie sonst üblich im Festzelt nachzufragen, ob meine spontane Hilfe in der Küche oder am Buffet gefragt ist. Ganz speziell interessieren mich die Läufe von Ganador's Verwandten, das sind seine Tante Estibaliz welche für's Team Österreich startet, und seine beiden Onkels Filemon Barbaro und Felipe, NL. Alle drei sind sie heute am Start, und bis die Läufe tatsächlich beginnen bleibt mir etwas Zeit, mich ihren Besitzern vorzustellen und ein paar herzliche Worte zu wechseln mit ihnen, und natürlich: Die schönen Verwandten meines Ganador zu bewundern. Alle gleichen sie sich, diese typischen "Hübchen-Hunde" die wohl jeder Galgo-Kenner von weitem zweifelsfrei erkennt. Wie schön!!! Dies ist wirklich MEIN Tag!!!

Die Coursing-Läufe der Galgos sind für mich spannend, von der ersten Sekunde wenn die zwei Hunde zum Startpunkt gebracht werden, fiebrig vor Anspannung und Vorfreude auf die Jagd bis zur letzten Sekunde, wenn die Hunde im allergrössten Jagdfeuer im Ziel wieder vom erbeuteten Hasen abgezogen werden: Faszination pur!!! Meine drei Favoriten, die "Hübchen-Galgos", sie machen alle ihre Sache sehr gut, fantastisch sogar! Ganz besonders mitgefiebert habe ich mit Estibaliz, welche ein ziemlich ungünstiges Los gezogen hat und gleich im allerersten Lauf, zudem mit einer Galga aus Frankreich starten musste - ganz und gar nicht zur Freude ihrer Besitzerin. Dennoch, auch dieser Lauf gelang tadellos und wurde mit einer guten Punktzahl gewertet.

Wir hatten grosses Wetterglück! Bei der absoluten Hitzephase der vergangenen Woche mit Temperaturen weit über 30°C, und noch immer recht warmem, sonnigem Wetter während aller vier Vorbereitungstage, hatten wir nun exakt für die drei Coursingtage deutlich kühlere Temperaturen und zeitweise gar etwas Nieselregen: Ideal für die Hunde, welche während ihrer Coursing-Läufe ja absolute körperliche Höchstleistungen erbringen. Auch sonst wurden wir, bzw die Hunde, glücklicherweise verschont vor wirklich schlimmen Unfällen. Natürlich, der eine oder andere Läufer erlitten Prellungen oder Verstauchungen, auch gelegentlich eine Zehen-Fraktur, aber Gott sei Dank nichts wirklich gravierendes.

Obwohl ich es primär geniesse, die Hunde zu beobachten bei ihrer begeisterten Jagd auf den "Hasen" und mir die Wertungen der Richter irgendwie ziemlich egal sind, trotzdem freute ich mich sehr, als ich abends bei der Sieger-Ehrung gleich zwei "meiner" Hübchen-Galgos auf dem Podest bewundern durfte! Ganz herzliche Gratulation den beiden "Siegern" Estibaliz und Filemon Barbaro und ihren stolzen Besitzern! Und natürlich ganz herzliche Gratulation an alle Teilnehmer dieser Coursing-EM, denn: Mitmachen ist alles, der Rest ist Nebensache, dies ist meine tiefe Überzeugung.

[ganador]

Samstag, zweiter Coursing-Tag. Eine gewisse Entspannung macht sich breit, alles läuft in geordneten Bahnen, kaum mehr viel Hektik, kaum mehr viel Stress. Heute am Start steht eigentlich - nebst verschiedenen andern - auch "meine" Rasse, die Sloughis, aber sooft ich den heutigen Katalog durchblättere, irgendwie passt heute nichts so richtig. Die Sloughis laufen am Vormittag auf Parcours gelb, Bodenzugmaschine Team Sachsenheim. Hier war ich gestern nach den Galgo-Läufen kurz stehen geblieben im Vorbeigehn, als die zierlichen Windspielchen mit Feuereifer ihre Läufe absolvierten, und konnte mich bereits da nicht so richtig erwärmen für diesen Parcours. Lange Wartezeiten zwischen den Läufen, während das geländetaugliche Fahrzeug mit grossem Lärm den Hasen für den kommenden Lauf über die Wiese zog, das Gelände absolut platt, für mich nach dem spannenden Parcours rot einfach nur langweilig. Zudem, die Sloughis heute die waren nicht als erste frühmorgens am Start, sondern begannen mit ihren Läufe erst so gegen neun. Viel zu knapp, ich wollte ja vor meinem Einsatz bei der Tierarztkontrolle noch meine eigenen Hunde ordentlich spazieren führen. Und die Sloughi-Nachmittagsläufe die begannen während der offiziellen TA-Kontrolle für die Läufer vom Sonntag, also wieder nichts. Wirklich enttäuscht war ich nicht.

Und diese, meine eigenen vier Fellnasen die während diesen ganzen Tagen relativ brav im WoMo ausgeharrt hatten, ihnen gegenüber meldete sich immer dringender mein schlechtes Gewissen. Meine zwei jungen Sloughis, von A bis Z ohne jeglichen Freilauf eine geschlagene Woche lang - ich hatte ja die leise heimliche Hoffnung gehegt, dass die beiden vielleicht auf irgendeinem der drei Parcours mind. einmal in dieser Woche zu einem der technischen Läufe eingeladen würden, immerhin haben ja beide ihre Coursing-Lizenz "im Sack"... aber es sollte nicht sein. Meinem Jüngsten, dem Galgo-Welpen Ganador, dem konnte und wollte ich nicht eine volle Woche reine Leinenspaziergänge zumuten. Für ihn liess ich einfach die strikte Weisung "Leinenpflicht auf dem ganzen Gelände" links liegen und nutzte jeden Moment wo keine andern Hunde in direkter Nähe waren, um ihn, zusammen mit unserem Senior Charengo, am Rand des Geländes auf der kurz gemähten "Hornusser-Wiese" frei laufen zu lassen, wenigstens für ein kleines Viertelstündchen bis die nächsten Hundespaziergänger in der Ferne auftauchten. Bei beiden musste ich keine Sorge haben, dass sie sich plötzlich verselbständigen und abhauen würden.

Die Arbeit verlief ruhig, alle Teams der verschiedenen Ressorts hatten sich inzwischen gefunden, und eine gewisse Routine und Selbstverständlichkeit war eingekehrt. Zeitdruck und höchste Konzentration lediglich noch im Rennbüro, und im Festzelt die gewohnte Hektik wenn alle gleichzeitig auf ihre Mahlzeiten warteten. Die Gäste bzw Coursing-Teilnehmer waren inzwischen alle auf dem Gelände eingetroffen, auch die Läufer vom Sonntag waren durch die TA-Kontrollen durch, es war praktisch geschafft, auch wenn die Coursings in vollem Gang waren.

Eigentlich hatte ich mich anerboten, auch nach Ende der Coursings am Montag noch mitzuhelfen beim Abbau der ganzen Infrastruktur. Aber ich wurde nicht als Helfer eingeteilt. Rumstehn und allerorts meine Hilfe anbieten, das hatte ich die ganze Woche durch zur Genüge getan, irgendwelche Arbeiten gibt es immer zu erledigen. Aber irgendwie war meine Energie inzwischen ziemlich an einem Tiefpunkt angelangt, mein schlechtes Gewissen meinen Hunden gegenüber wurde stärker, und ich sehnte mich nach meinem anhänglichen Doggenmädchen Silja, die für eine Woche "Doggen-Urlaub" bei einer befreundeten Doggenzüchterin untergebracht war. Auch ohne Silja war es ja eng genug in unserem Wohnmobil. Ich wusste, Silja hat es dort sehr schön, sie lernt endlich wieder, was eine Deutsche Dogge ist, aber trotzdem: Ich plante meine Abreise, direkt nach der letzten TA-Kontrolle am Sonntag Mittag. Auf die letzten NM-Läufe und die Siegerehrung am Sonntagabend konnte ich ohne grosse Tränen in den Augen verzichten. Zudem wollte ich mir speziell an diesem Tag, meinem Geburtstag, auch für mich selber etwas gutes tun...

Ein tolles, einmaliges Erlebnis ging seinem Ende entgegen, diese Coursing-EM 2017 in heimischen Gefielden, welches für uns alle, Zwei- und Vierbeiner, zu einer prägenden Erfahrung geworden ist. Mit dieser Coursing-EM Woche sind wir, ich als relativer "Windhund-Neuling" und meine drei Windi-Jungspunde, wohl erstmals so richtig angekommen und eingetaucht in diese faszinierende Windhund-Sportwelt. So richtig "verdaut" haben wir unsere Eindrücke noch längst nicht!

[nicschmit]

Hallo!

Ist der Hund im Bericht vom Freitag,
der getragen wird ein Nachkomme von
Narooma Brantome?

[ganador]

Leider weiss ich nicht wer dieser verletzte Hund ist. Das war einfach eine spontane Begegnung auf meinem Rückweg vom Coursingfeld rot, auf der Strecke wo die Hunde von allen drei Coursingfeldern durch mussten. Ich denke, es handelt sich bei dem getragenen Hund nicht um einen Galgo, sondern um einen Whippet Sprinter. Diese liefen ebenfalls am Freitagmorgen als erste, auf Parcours blau. Ich vermute, dieser verletzte Hund wurde direkt zur "Chef-Tierärztin" gebracht, ich hab sie jedenfalls nicht gesehen bei der TA-Kontrolle um elf.

[Soñadora]

Vielen Dank für den lebhaften Bericht

[coyotee]

Super Bericht

[Shinta73]

Toll und interessant geschrieben.