Der Angsthund - was ist das überhaupt?

Wissenswertes - was vor einer Adoption überlegt sein sollte
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greycie
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Der Angsthund - was ist das überhaupt?

#1 Beitrag von greycie » Mi 26. Dez 2018, 18:09

Die Aufnahme oder die Adoption eines "Angsthundes" bedarf großer Erfahrung.
Man muss sich der Konsequenzen und der Verantwortung von Anfang an bewusst sein.
Die Aufnahme/Adoption eines Angsthundes ist kein Kinderspiel und bedarf einer Zustimmung und vor allem klaren Regeln ALLER Mitglieder im Haus!
Dies bedeutet, das nicht nur eine Person dafür zuständig ist, sondern ALLE müssen hier an einem Strang ziehen.

Oft wird ein Galgo auch als Angsthund im Vermittlungstext vorgestellt-.
Was bedeutet das? Was ist ein Angsthund?
Und manchmal, ja manchmal entwickelt der Hund erst hier im neuen Umfeld sich zu einem Solchen! Herausgerissen aus allem Bekannten - allein auf sich gestellt.
Der Angsthund
Was ist überhaupt ein Angsthund?
Wenn man von einem Angsthund spricht, meint man keinen ängstlichen oder vorsichtigen Hund.
Das wird leider sehr oft verwechselt!
Ein Angsthund ist ein wirklich panischer Hund, der meistens mit uns Menschen überhaupt nichts zu tun haben will und vermutlich schreckliche Dinge in seinem bisherigen Leben erlebt hat. Es gibt wirklich einen riesengroßen Unterschied und wenn man sich für einen Angsthund entscheiden sollte, muss man sich darüber im Klaren sein, dass man KEINEN Schmusehund nach Hause bekommt und dass man wirklich viele wichtige Dinge beachten und einhalten muss!!!
Ein Angsthund ist NICHTS für Anfänger!
Bei einem Angsthund sollte man in den ersten Tagen auf ein Gassi gehen verzichten und den Hund erst einmal ankommen und zur Ruhe kommen lassen. Der Hund kennt kein Gassi gehen an der Leine und das sollte erst einmal in der Wohnung oder ggf. im Garten (wenn vorhanden und gut eingezäunt) ausprobiert und geübt werden.
Viele Angsthunde sind extrem traumatisiert und lassen sich in der ersten Zeit nicht einmal anfassen, geschweige denn ein Geschirr anlegen.
Hier muss man sehr viel Geduld aufbringen!
Ist man als Mensch- und Hundegespann dann soweit und wagt sich in die große weite Welt voller Gefahren, ist es von großer Bedeutung einige Sicherheitsmaßnahmen einzuhalten.
Ein Sicherheitsgeschirr / Panikgeschirr + Körpersicherung gehörten unbedingt zur Erstausstattung und sollten ziemlich lange oder vielleicht auch für immer benutzt werden.
(Hierzu bitte unseren Beitrag zum Sicherheitsgeschirr ansehen)
Die Körpersicherung ist ebenfalls verdammt wichtig, denn das Panikgeschirr allein hilft nicht, wenn einem beispielsweise die Leine aus der Hand fällt. Davon kann sich leider niemand freisprechen, denn stolpern und hinfallen kann jeder und dann ist der Hund samt Geschirr und Leine auf und davon…
Sientas z.B. bietet auf der Seite www.sientas.de den „Secured Gürtel“ an. Dieser ist anzuwenden wie ein Gürtel mit einem Sicherheitsverschluss, in den man dann die Leine einlegen kann.
Somit ist der Hund am Körper seines Menschen gesichert und kann nicht entlaufen.
Dann sollte man den Hund am Anfang niemals allein in den Garten lassen. Auch dort sollte der Hund in der Anfangszeit (mind. die ersten WOCHEN) gesichert sein.
Ganz wichtig ist es auch, Türen nicht unbedacht zu öffnen. Der Hund ist sonst blitzschnell durch den Türspalt entlaufen!
Auch im Kofferraum des Autos MUSS der Hund unbedingt gesichert sein, um ein ungewolltes Raushüpfen zu verhindern. Am besten wäre hierfür eine Box und der Hund muss darin locker angeleint sein. Hat der Hund aber Angst vor Boxen (weil er es nicht kennt), zwingen Sie ihn bitte nicht!!!
Am Anfang ist es wichtig Vertrauen aufzubauen und das würde man durch solche Aktionen versauen. Egal wo der Hund im Auto dann letztendlich sitzt, er MUSS angeleint / angeschnallt und irgendwo befestigt sein.
Der Hund wird sich am Anfang vielleicht nicht anfassen lassen…
Bitte lassen Sie ihm Zeit und seien Sie geduldig!
Setzen Sie sich zu ihm auf den Boden und versuchen ihr Glück über Futter! Der Hund muss dazu nicht ausgehungert sein (bitte an den Blutzuckerspiegel denken). Sie können einfach etwas ganz besonders Leckeres dazu nehmen.
Es wäre eventuell ganz gut wenn Sie ansonsten versuchen, so normal wie möglich zu sein. Machen Sie das, was Sie sonst auch tun.
Mal eine kleine Geschichte aus eigener Angsthunderfahrung:
Nennen wir unseren Angsthund mal „Rex“.
Rex hat jahrelang frei auf der Straße im Ausland gelebt. Er musste sich durchsetzen. um zu überleben, aber liebte es frei zu sein.
Eines Tages, und er hatte immer versucht, es so gut es geht zu vermeiden, wird er von Hundefängern brutal mit einer Schlinge eingefangen und in ein Tierheim gebracht. Fremde Geräusche, Stimmen, der Geruch von Tod und Leid, bellende und schreiende Hunde… all das machte ihm Angst.
Irgendwann kommt ein Mensch auf seinen Käfig zu, er quetscht sich in die hinterste Ecke, der Käfig geht auf, wieder die Schlinge… Er wird aus seinem Käfig gezerrt… auch seine Schreie helfen ihm nicht!
Ein Mann kommt… komplett in weiß gekleidet… AUA! Piekt ihn mehrfach! Er versucht sich zu wehren, will weg, aber kann nicht. Man hat ihm die Schnauze zugebunden und die Schlinge ist so eng…
Dann kommt er wieder in seinen Käfig zurück. Er sitzt dort lange. Er hat Angst!
Er will wieder frei sein… irgendwann ist er so erschöpft und schläft… das Ganze wiederholt sich und irgendwann passiert es wieder… der Mensch, die Schlinge… er wird erneut aus seinem Käfig gezerrt.
Diesmal sind mehrere Leute da und die sind ganz aufgeregt.
Er wird in einen Käfig in ein Auto gesperrt. Er zittert. Andere Hunde sind auch dort… alle haben Angst. Viele Stunden sitzt er dort. Später auch in seinem eigenen Kot…
Dann irgendwann öffnet sich die Autotür…. Luft… endlich wieder frische Luft…
Wieder sind Menschen da… schauen ihn an… reden über ihn… er kann es nicht verstehen...
Sie sagen Dinge wie „Jetzt wird alles gut!“ oder „Du bist gleich zu Hause!“
Zu Hause? Ja bitte… wieder zu meinem Rudel auf die Straße!!!
Doch es kommt anders… eine Frau sieht ihn… sie ist mit ihrem Welpen gekommen… der Kleine freut sich und sagt „Mama, der ist aber süß! Mit dem kann man bestimmt toll spielen!“
Wieder wird er aus dem Käfig gezerrt und der Frau wird die Leine in die Hand gedrückt… Sie zieht ihn zum Auto und hebt ihn rein.
Nach ca. einer halben Stunde zieht sie ihn wieder raus und nimmt ihn mit ins Haus!
Er hat große Angst. Das sind doch die Dinge, in denen die bösen Menschen wohnen und nun ist er da drin. Er will eigentlich nur noch weg und verkriecht sich in einer Ecke. Vor Angst ist ihm ein kleines Malheur passiert.
Die Frau kommt auf ihn zu und redet laut… sie wischt es weg.
Sie geht zur Tür wo sie reingekommen sind… er hat sie im Blick… die Tür geht auf, er stürzt los, rennt die Frau fast um, quetscht sich durch den Türspalt und ist endlich wieder frei!!!
Aber überall sind Menschen, Autos und andere Dinge die er aus seiner Heimat nicht kennt…
Lichter, hupen, Menschen schreien, laufen hinter ihm her… schnell weg!
Er findet einen Ort wo es ruhig ist. Versteckt sich in einem Busch. Erstmal Luft holen!
Tagelang läuft er dort umher… immer mal wieder versuchen Menschen, mit ihm zu reden oder ihm hinterher zu laufen, aber er weiß ja wie es geht… so war es ja sein Leben lang schon und er ist schneller. Er findet immer mal wieder etwas zu essen und fühlt sich wohl.
Immer mehr Menschen interessieren sich für ihn und das merkt er… sie stellen ihm Futter hin.
Gut… das findet er natürlich gut und frisst es… Tag für Tag.
Die Menschen kommen 2x am Tag und bringen neues Futter! Nicht viel, aber lecker. Super, hier bleibt er!
Dann irgendwann steht da so ein komisches Ding… das Futter dort drin… er ist vorsichtig und schaut sich erstmal um. Der Geruch des Futters ist verlockend… da muss man doch rankommen…
Natürlich! Er kommt überall ran… auf einmal knallt es… wieder sitzt er in einem Käfig und kommt nicht raus…
Wieder Menschen!
Hört das denn nie auf?
Dieses Mal aber keine Schlinge und niemand zerrt ihn. Der Käfig wird mit ihm transportiert.
Eine kurze Fahrt und der Käfig wird wieder abgeladen. Die Menschen reden kurz miteinander und öffnen den Käfig…. Puuuhhhh wo ist er jetzt? Langsam kommt er raus… er ist draußen! Er ist frei… oh ne… doch nicht… Zaun… sehr hoher Zaun… aber viel Platz.
Dort lebt er erst einmal längere Zeit… er hat Schutz vor Regen, Futter, Wasser, aber ist draußen.
Das gefällt ihm.
Mehrmals am Tag kommt ein Mensch. Setzt sich in seine Nähe, aber auf Abstand, redet, wirft Futter, redet wieder…
Anfangs wirft er das Futter weit, später nicht mehr soweit… er gewöhnt sich daran… es passiert immer das Gleiche und er holt sich das wirklich leckere Futter ab.
Lange läuft das so… eines Tages kommt der Mensch wieder und hat einen Kumpel dabei… er traut seinen Augen nicht… ist es einer aus seinem Rudel? Nein, aber er ist nett und freundlich.
Von nun an kommt der Mensch täglich zusammen mit seinem neuen Freund. Wir spielen, liegen zusammen, schnüffeln zusammen… irgendwann flitzen wir zusammen an dem Ort rum den sie Garten nennen und plötzlich steht er wieder an dem Ort, wo die Menschen wohnen… er hatte es nicht bemerkt, er ist nur seinem Freund gefolgt und steht jetzt dort wie festgenagelt… der Hundefreund versteht das gar nicht, fordert ihn auf weiter rein zu kommen… er kann nicht!
Er hat Angst und flüchtet wieder.
Nimmt allen Mut zusammen und schaut nochmal rein… immer und immer wieder und traut sich immer und immer weiter rein… zusammen mit seinem Freund natürlich!
Ok, beenden wir die Geschichte an dieser Stelle!
Seine ursprüngliche Familie wollte ihn nicht mehr. Sie hatte sich ihn halt einfach anders vorgestellt und fühlte sich der Aufgabe nicht gewachsen.
„Rex“ lebt heute nach ungefähr 2 ½ Jahren in der Wohnung und fühlt sich wirklich wohl dort. Er mag SEINE Menschen und verhält sich heute FAST wie ein ganz normaler Hund.
Das war aber wirklich ein weiter und komplizierter Weg!
Fremde Menschen, LKWs, Motorräder und viele andere Dinge machen ihm heute noch Angst und er wird diese wohl niemals komplett ablegen.
Rex wird niemals ohne Panikgeschirr und gesicherter Leine frei laufen dürfen. Er darf es nur auf einem komplett gesicherten und hocheingezäunten Gelände.
Diese Geschichte soll zeigen wie schwierig ein richtiger Angsthund sein kann und dessen muss man sich wirklich bewusst sein!
Es kann sein, dass der Hund niemals so wird wie man sich seinen Hund vielleicht vorgestellt hat.
Das ist natürlich ein Härtefall, aber ob das nicht vielleicht so sein wird, kann einem niemand vorher sagen!
Man darf einfach nicht so naiv sein und glauben, dass der Hund weiss das er jetzt zu Hause ist und das ihm ab jetzt niemand mehr schaden will.
Das weiss er nicht.
Er muss sich langsam an alles gewöhnen und Vertrauen aufbauen.
Für viele Hunde ist es der Horror!
WIR sind der Meinung, dass es für viele solcher Hunde nicht gut ist sie nach Deutschland zu holen und in eine Wohnung mit Menschen zu stecken.

Man kann es nicht pauschalisieren oder verallgemeinern, aber viele gehören hier einfach nicht her und es ist purer Stress für diese Hunde... oft auch nach Jahren noch!

Wenn sie dann auch noch hier entlaufen und auf unseren Straßen sterben... dann sind sie, wie man es ja so oft liest mittlerweile, zu Tode gerettet worden...

Für alle, auf Deutschlands Straßen & Schienen gestorbenen Seelen:
"Ihr seid wieder frei... run free
Quelle:
https://www.facebook.com/permalink.php? ... ry_index=0
Michaela mit den Jungs und den Mädels
.....................................
Nur wer seinen Windhund hat jagen sehen, weiß was er an der Leine hat
"h12"

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